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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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nicht wohl oder übel anerkennen und schlucken, will man sich nicht gänzlich entehren? Aber ich schweife ab! Madame de Montcalm ist jedenfalls nicht von solchem Holz, und um es kurz zu machen, kam die Gefahr nicht von ihrer Seite, sondern von Larissa.«
    »Larissa? Aber sie war doch erst dreizehn!«
    |96| »Knapp! und so unfaßlich verschwiegen, daß niemand von ihrem sträflichen Wandel je erfahren hätte, wenn ihre Kammerfrau, die zuerst mit ihr unter einer Decke steckte, aus Angst vor Entdeckung die Sache Monsieur de Montcalm nicht enthüllt hätte, der in seinem unbändigen Zorn zur Nacht ins Gemach seiner Tochter eindrang und, da er den Burschen bei ihr liegen fand, seinen Degen blankzog.«
    »Und ihn, Gott sei Dank, tötete?«
    »Dazu kam es nicht. Vor Schreck sprang der Page aus dem Fenster und stürzte so unglücklich, daß er sich das Genick brach. Worauf Larissa, die schrie oder vielmehr ein Geheul ausstieß wie ein Tier und, da sie wohl begriff, wer sie verraten hatte, unterm Kopfkissen einen kleinen Dolch hervorzog, ihrer Kammerfrau die Brust durchbohrte und sich selbst entleibt hätte, wäre Montcalm ihr nicht in den Arm gefallen. Hierauf warf sie sich zu Boden, wand und wälzte sich in grausigen Krämpfen, wobei sie stundenlang fortfuhr in ihrem gellenden Heulen, mit Schaum vor dem Mund, verzerrtem Gesicht, und jeglichen schlug und biß, der sich ihr näherte.«
    »Herrgott! Wegen einer Vögelei zwei Tote und eine Tollwütige!«
    »Nicht zwei. Wider Erwarten überlebte die Kammerfrau, aber die Ärzte, die Larissa untersuchten und am ganzen Leibe gesund befanden, sagten, das angebliche Leiden der Patientin sei von einer Art, daß sie es weder feststellen könnten noch kennten und es demzufolge mit ihren Mitteln nicht zu heilen wüßten, sie müsse vom bösen Geist besessen sein.«
    »Eine großartige Diagnose!« rief ich entrüstet. »Heißt das nicht behaupten, wir hätten sämtliche menschlichen Krankheiten inventarisiert?«
    »Was weiß ich«, sagte Quéribus. »Jedenfalls schien Larissas Verhalten den Ärzten recht zu geben, denn bald lag sie apathisch in einer Ecke ihrer Kammer, weinte lautlos und wackelte mit dem Kopf, bald verfiel sie wieder in ihr unerträgliches Geheul, wälzte sich schäumend am Boden, schlug und zerkratzte sich, bald löste sie ihre Haare, entkleidete sich und lief völlig nackt durchs Schloß, stürzte sich auf jeden Mann, der ihr begegnete, jung oder alt, umschlang und küßte ihn entflammten Gesichts und stieß mit heiserer Stimme die obszönsten Worte hervor.«
    |97| »War meine arme Angelina Zeuge dieser Raserei?«
    »Nein. Man hielt sie fern von ihr. Und was Larissa anging, so stellten die Montcalms sie einem Kapuziner aus Montpellier vor, dem in der Dämonologie hochgelehrten Pater Marcellin. Nachdem er das arme Kind in allen Phasen seines Außersichseins beobachtet hatte, erklärte er uns, er habe an ihr die sicheren und erwiesenen Anzeichen satanischer Besessenheit festgestellt: zum ersten, wutverzerrtes Gesicht, hervorquellende Augen, abscheuliches Gebaren; zum zweiten, großes Krampfen und Schneiden im Magen, in den Gefäßen und den Schamteilen; zum dritten, extreme Windungen des Rumpfes und Beckens, sobald sie niederliege; zum vierten, ständiges und wildes Verlangen nach einem Mann; zum fünften, eine Flut schmutziger, anstößiger oder lüsterner Worte, wenn ihrem Willen nicht widerfahren werde. Und hieraus schloß Pater Marcellin, daß Larissa von fünf verschiedenen Dämonen besessen sei, welche er kraft seines Exorzismus zu vertreiben sich anheischig machte.«
    »Und gelang es ihm?«
    »Nein. Er versuchte es, glaube ich, dreimal, und scheiterte dreimal. Monsieur de Montcalm bezahlte ihn sehr reichlich und schickte ihn fort.«
    »Warum sehr reichlich«, fragte ich verwundert, »da er doch nichts ausrichtete?«
    »Wenn nicht, hätte er Larissa beim Bistum vielleicht als Hexe angezeigt, und sie wäre, obwohl Grafentochter, verbrannt worden! Um dieser Gefahr zu begegnen, entschloß sich Monsieur de Montcalm, trotz all seiner Liebe zu ihr, sie in ein Kloster zu sperren, wo die Ärmste viele Jahre blieb und sicherlich bis ans Ende ihrer unglückseligen Tage dahingesiecht wäre, hätte Samarcas sie dort nicht herausgeholt.«
    »Samarcas?«
    »Ein Jesuit. Von den Montcalms verehrt, weil er Larissa zurückholte nach Barbentane, sie exorzierte, reinigte und endlich wieder zu Besinnung und Beherrschung ihrer Seele brachte.«
    »Und wann gelang diesem Samarcas das

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