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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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durch ihre fast gerade Linie die sehr hohe, gewölbte Stirn. Sein reiches, nur an den Schläfen ergrautes Haar war gelockt, die jettschwarzen |104| Augen lagen funkelnd und brennend tief in den Höhlen und waren zudem höchst beweglich, lauernd, forschend, und schienen wie bei einer Fliege nach allen Seiten zu sehen, so daß er bemerkte, wie ich ihn beobachtete und mir ganz plötzlich einen schrecklichen Blick zuwarf, der mich traf bis ins Mark, dem aber sogleich das bezauberndste, freundschaftlichste und liebenswürdigste Lächeln folgte, so daß ich baff war und nicht wußte, was von diesem ersten Scharmützel gelten sollte, die Kriegserklärung oder das nachfolgende Friedensangebot. Bevor ich meine Truppen aber zurückzog, vermerkte ich noch, daß Samarcas Schnurrbart und Kinnbart trug, letzterer sehr kurz und pfleglich gestutzt, wie übrigens auch seine Fingernägel, daß seine Halskrause makellos rein und bis in jedes Fältchen gestärkt und gebügelt war. Nicht zu entscheiden vermochte ich indessen, ob er seine Locken mehr der Kunst als der Natur verdankte.
     
    Der Ehevertrag meiner Schwester Catherine war noch zu Mespech im Handumdrehen geschlossen worden, weil Quéribus alles andere als kleinlich war, hingegen dauerte es eine gute Woche, bis mein Vater und der Graf den meinen zu Barbentane ausgehandelt hatten. Inzwischen wachte Madame de Montcalm, daß Angelina und ich uns niemals allein sahen, immer war eine Gorgone zur Stelle, die uns jede kleinste Liebkosung verbot, welche doch die strengsten Sittenwächter Brautleuten zugestehen. Außerdem hängte sich Larissa, sobald Samarcas einmal fort war, an ihre Schwester wie ein leiblicher Schatten, hockte still bei uns auf einem Stuhl, ohne je die Augen zu heben, doch glaube ich, daß sie meine leisesten Worte verschlang, so wie sie auch mich verschlungen hätte, hätte sie das Gebot zu übertreten gewagt. Besagte Gorgone war eine Art Intendantin im Dienst der Gräfin, und wer weiß, ob Madame de Montcalm ihr nun die unnachgiebige Strenge befohlen hatte oder ob diese dem Essig ihrer eigenen Keuschheit entsprang, jedenfalls näherte ich mich kaum einmal Angelinas süßem Gesicht, das mich unwiderstehlich anzog wie ein Pferd das zarte Frühlingsgrün, begann sie auch schon zu hüsteln.
    »Bitte, Monsieur de Siorac, wahrt Abstand«, sagte sie in unwirschem Ton.
    Und Angelina seufzte, und Larissa seufzte eine Oktave tiefer, |105| denn unter den stets gesenkten Lidern teilte sie jede Empfindung der Schwester und sog Komplimente und Tändeleien, die ich jener zuwandte, ein, als hätten sie ihr gegolten. Überdrüssig der Tyrannei unserer Ehrendame, die zwar keine Schlangen im Haar trug wie die Gorgone, dafür aber deren Gift im Herzen, nützte ich die Gelegenheit, als die Unholdin sich einen Augenblick entfernte, und bat meine Liebste um ein heimliches Stelldichein, am Abend, in der »Pfefferbüchse« neben dem Ostturm, wo sie mir im Jahr 1567 ihr Wort gegeben hatte, und weil diese Erinnerung ihr teuer war wie mir, besiegte mein inständiges Bitten ihre Skrupel, und nach einigem Zögern willigte sie ein. So leise ich auch sprach, hörte es doch Larissa, der Angelina aber wie sich selbst vertraute, denn nie hatten die Schwestern einander verraten, sondern immer in Freundschaft oder, besser gesagt, in unwandelbarer, inniger Liebe zusammengehalten, einverständig, duldsam und selbstverständlich, wie ein Mann es für gewöhnlich nur mit sich selber ist.
    Der Tag neigte sich, ich verließ Angelina, Larissa und die Gorgone, begab mich auf mein Zimmer und wartete, bis es dunkel wurde. Dann machte ich mich auf den Rundweg und bezog Posten in der »Pfefferbüchse«, einem kleinen, offenen Wachhaus mit spitzbogigem Eingang und Schießscharten, durch welche man Angreifer bekämpfen konnte, die sich erkühnten, den Ostturm zu erklimmen, der wenigstens fünfzehn Meter über dem Graben aufragte. Der Abend war kalt, scharfer Wind pfiff über die Wälle, doch in der »Pfefferbüchse« war ich davor geborgen, von den polierten Rundsteinen, welche die Hitze des Tages bewahrten, ging eine wohlige Wärme aus, und so schmiegte ich mich in den winzigen Raum wie eine Seidenraupe in ihren Kokon, das Herz geschwellt in Erwartung meiner Liebsten.
    Auf den Fliesen des Rundgangs erklangen ihre Schritte, plötzlich – die Nacht war nicht finster – erschien sie vor dem spitzbogigen Eingang und trat schräg wegen ihres Reifrocks herein, worauf ich ihr meine Hände entgegenstreckte, sie aber

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