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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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Gewändern, die er zu Hofbällen trug; in seinen Truhen hatte er über hundert der reichsten Kleider, entzückend aus Satin, Seide und Brokat komponiert, so daß er sich jeden Tag, den Gott werden ließ, in anderer Pracht zeigen konnte, um vor dem König nicht weniger schön als er dazustehen. Vergaß ich etwa das kurze kastanienfarbene, goldbesetzte Cape, das ihm über eine Schulter hing und seine Wespentaille verhüllte und ohne das kein Galan bei Hofe zu erscheinen wagte, selbst in den Hundstagen nicht?
    Daß Quéribus im Hause war, erkannte ich, noch bevor ich ihn sah, an dem Duftschweif, den er überall hinterließ, denn die Parfums, mit denen er sich bestäubte, rochen zwar nicht so lieblich, aber mindestens so stark wie die von Catherine und Angelina zusammen.
    Und richtig, kaum setzte ich den Fuß in den großen Saal, als |117| er mir mit offenen Armen entgegenkam und mich herzlich küßte. Mir blieb kaum die Zeit, meine Frau Schwester zu begrüßen, da legte er mir auch schon den Arm um den Nacken.
    »Höre, mein Pierre! Es steht schlecht ums Reich. Monsieur liegt im Sterben.«
    »Wie?« sagte ich, »ist das gewiß?«
    »Unwiderruflich. Ich habe es von Doktor Miron. Ausgezehrt, wie er schon war, spuckt und hustet Monsieur nun sein letztes bißchen Lunge aus.«
    »Beim Ochsenhorn!« sagte ich, »ich werde ihm keine Träne nachweinen.«
    »Ich auch nicht!« sagte Quéribus.
    »Was!« sagte Angelina mitleidig, wie es ihre Art war, »gibt es denn niemand in diesem Land, der den sterbenden Prinzen beklagt?«
    »Der Prinz war dem König ein schrecklicher Bruder. Er kämpfte mit Armeen gegen ihn, brachte alles durcheinander, alles in Wirrnis! Er verriet sein Blut und die Treue gegen seinen Bruder und Gebieter!«
    »Soviel steht fest«, sagte Catherine, »eine Schönheit war der Prinz nicht: klein, schwarz, krummbeinig, pausbäckig, pockennarbig, eine Mißgeburt unter den Valois!«
    »Und die Seele noch schlimmer als das Außen«, sagte Quéribus, »ebenso feige wie grausam.«
    »Grausam?« fragte Angelina.
    »Ha, und ob!« sagte ich. »Im Jahr 77 ließ er alle Hugenotten der Stadt Issoire niedermetzeln, obwohl sie sich ihm ergeben hatten.«
    »Ach«, sagte lachend der Baron, »Hugenotten sind wie die Hydra von Lerna: Schlag einen Kopf ab, und es wachsen sieben nach!«
    »Monsieur«, sagte Catherine stirnrunzelnd und stolz, »wenn Ihr meine hugenottischen Vettern verhöhnt, bleibt Euch meine Kammertür heut abend verschlossen!«
    »Meine Frau Gemahlin«, sagte Quéribus, indem er anmutig vor ihrem goldbestickten Reifrock ins Knie fiel, »einer so grausamen Strafe zöge ich Stäupen und Rad sogar vor. Ich bitte Euch, verzeiht mir den dummen Witz!«
    Hiermit faßte er ihre Hände, die sie ihm lächelnd überließ, und küßte sie.
    |118| »Jedenfalls«, sagte er aufstehend, »hat Monsieur dem Reich nichts wie Unheil gebracht. Aber das schlimmste ist: Nachdem er dem König als Lebender genug geschadet hat, wird er ihm erst recht als Toter schaden.«
    »Wie das?« fragte Angelina und richtete verwundert die schönen schwarzen Augen auf ihn.
    »Nun«, sagte Quéribus, »sein Tod stellt den König vor das dornige Problem der Thronfolge. Obwohl schon zehn Jahre vermählt, hat Heinrich keine Kinder. Monsieur wäre ihm ebenso gefolgt, wie Heinrich seinem Bruder Karl IX. folgte und Karl seinem Bruder Franz II.«
    »Aber«, sagte Angelina, »die gebenedeite Jungfrau kann ihm doch noch Kinder bescheren. Meine liebe Schwägerin Catherine war sieben Jahre kinderlos, bis die Jungfrau ihren Leib segnete.«
    »Ja, der Herr war mir am Ende doch gnädig«, sagte Catherine, die, hugenottisch im Herzen – obwohl sie wie ich die Messe hörte –, diese göttliche Wohltat nicht der Jungfrau Maria zugestehen wollte.
    »Deshalb pilgert ja der König von Notre-Dame zu Paris nach Notre-Dame zu Chartres«, sagte Quéribus, »verschleißt auf dem zwei Tage langen Weg seine Schuhsohlen und gewinnt nicht mehr als geschwollene Füße, die ihm der Chevalier de Siorac dann kurieren muß.«
    »Welchselbiger Chevalier«, sagte ich lachend und noch immer ein wenig stolz auf diesen Titel, den mir der König vor langem verlieh, »hernach die eigenen Füße kurieren muß und seine Schuhe besohlen läßt, während Seine Majestät die seinen wegwirft, weil er nichts weiß von hugenottischer Sparsamkeit.«
    Wie ich so sprach, fing der kleine Olivier plötzlich ohrenbetäubend zu schreien an. Meine Angelina löste ihr Mieder und schob die süßeste Brust der

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