Noch immer schwelt die Glut
denn Pater Samarcas meint, daß Larissa in den nächtlichen Wirrsalen vom Bösen belauert wird, daß er sie aber wie eine Garnison beschützt.«
Das gab mir sehr zu denken, und ich hätte viel dazu sagen |110| mögen, hätte ich nicht gemerkt, daß Angelinas Geist zu fest in ihren Glauben verschlossen war, um meinen Worte gewogen zu lauschen. Es ist doch ein seltsamer Irrtum, sich einzubilden, es könnte das Mädchen, das man liebt, irgend geneigt sein, unsere Ansichten und Überzeugungen zu übernehmen, wenn man sich heiratet. Aber das heißt die Macht unterschätzen, die die Priester in katholischen Familien über die Seelen ausüben.
Von der ersten Stunde an war es mir geradezu in die Augen gesprungen (und ebenso dem Baron von Mespech, der sich darüber weidlich entrüstete), daß Pater Anselme und Pater Samarcas, so wenig sie einander auch lieben mochten, sich die Macht auf Barbentane doch kollegial teilten und alles bestimmten, der eine als Beichtvater des Grafen, Madame de Montcalms und Angelinas, der andere als Larissas Vormund. Betrachtete man die Dinge mit offenen Augen, so war es nicht Monsieur de Montcalm, sondern Pater Anselme, der mir Angelina zur Ehefrau gab, und zwar zu der Bedingung, die er festgelegt und die ich, der Hugenotte, zu erfüllen hatte. Und gleicherweise war es nicht der Graf, sondern Pater Samarcas, der beschlossen hatte, daß Larissa sich nicht vermählen dürfe, weil der Dämon, der »in den Vorhöfen ihrer Seele« schlummerte, dann erwachen und die Burg wieder in Besitz nehmen würde.
Als Angelina im Dunkel der »Pfefferbüchse« verstummte, verstummte auch ich. Behutsam nahm ich sie in die Arme und küßte sie, aber ganz zart nur, ohne sie enger an mich zu ziehen, und, ich gesteh’s, voll großem Kummer über Larissas Streich, denn hatte sie uns den Zauber dieses Augenblicks nicht verdorben? Und erst recht Samarcas! Hatten nicht beide mich zu meinem Schmerz darüber belehrt, wie fremd die Familie mir war, in die ich eintreten wollte, vor allem aber das Mädchen, das ich liebte?
Am folgenden Tag eröffnete ich mich Giacomi, als wir im Fechtsaal nach einem Waffengang Atem schöpfend in einer Fensternische saßen, die Beine von uns gestreckt, die seinen weit länger als meine.
»Bis Angelina den Pater Samarcas einmal mit Euren Augen sieht«, sagte Giacomi mit seinem reizenden Akzent, »braucht es Geduld. Aber welche menschliche Zuneigung bedürfte ihrer nicht? Soll ich Euch etwa bedauern, mein Bruder«, setzte er lächelnd hinzu, »daß Ihr geliebt werdet und liebt?«
|111| »Giacomi«, erwiderte ich spöttelnd, »wer liebte wohl, wo er nicht wiedergeliebt würde?«
Hierauf gab er jedoch keine Antwort. Ernst, die Augen gesenkt, zeichnete er mit der Spitze seines langen Degens Arabesken auf den Boden.
»An Eurer Stelle«, sagte er dann, »würde ich Larissa nicht weiter grollen. Die Arme verdient unendliches Mitgefühl. Ist es nicht ein Jammer, daß sie, kaum von dem einen Dämon befreit, unter die Herrschaft dieses anderen geriet, den man hier wie einen Heiligen ansieht?«
»Monsieur«, sprach da eine tiefe Stimme am anderen Ende des Saals, »würdet Ihr mir die Ehre eines freundschaftlichen Duells erweisen?«
Vertieft in unser Gespräch und ins Enträtseln der Linien, die Giacomi auf die Fliesen zeichnete, hatte ich die Tür nicht aufgehen hören, und als ich aufschaute, sah ich Samarcas auf der Schwelle stehen, den blanken Degen in der Hand und auf den Lippen ein Lächeln, das seine flackernden Augen Lügen straften.
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|112| VIERTES KAPITEL
Die Doppelhochzeit des Barons von Quéribus und meiner kleinen Schwester Catherine sowie Angelinas von Montcalm und mir fand am 16. November 1574 in der Schloßkapelle zu Barbentane statt, nachdem ich feierlich, bei meinem Seelenheil, gelobt hatte, »sowohl überall, wo ich mich in katholischem Hause befände, die Messe zu hören, als auch meiner Gemahlin die Erziehung unserer Kinder zu überlassen, auf daß diese sie aufziehe im Glauben ihrer Väter«.
Derselben Bedingung, wie man sich erinnern wird, hatte mein Vater einst zugestimmt, als er Isabelle de Caumont heiratete (nur daß er sich zu jener Zeit noch nicht zur hugenottischen Religion bekannte), und so war ich, wie gesagt, bis zu meinem zehnten Jahr papistisch erzogen worden. Meinem Gelöbnis zufolge, von diesem Tag an die Bedingungen des Paters Anselme zu erfüllen, war ich mit meinen dreiundzwanzig Jahren nun weder Fisch noch Fleisch, oder, wie der Baron von Mespech
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