Noch immer schwelt die Glut
er war von zu vielen Verrätern umgeben, selbst auf den Stufen des Throns.
|123| »Monsieur Mosca«, sagte ich, »würdet Ihr Eure Informationen auch Feinden des Königs verkaufen?«
»Dazu müßte ich bekennen, sie ausspioniert zu haben, was nicht ohne Gefahr für mich abginge. Ganz ungeschminkt gesprochen, Chevalier: Ich liebe unseren Herrn, aber vor allem liebe ich mich, meinen Hals, den ich mir zu erhalten hoffe, und meinen Beutel.«
»Monsieur«, sagte ich ernst, »allmählich gefällt mir Eure Gesellschaft: Ein Heuchler seid Ihr nicht. Und wieviel gedachtet Ihr, Eurem Beutel heut abend zuzuführen?«
»Das kommt darauf an: Wenn es sich nur um die Wohnung von Dame Larissa in Paris handelt, fünfundzwanzig Ecus. Wenn es um Samarcas geht, hundert.«
»Holla!« sagte ich, »hundert Ecus!«
»Immerhin berührt Samarcas die erwähnten Geheimnisse.«
»Bleiben wir zuerst bei dieser Unterkunft, Monsieur Mosca. Was den Jesuiten angeht, sehen wir später. Nun? Fangt an. Ihr schweigt?«
»Ihr müßt mir die Zunge lösen.«
Und dazu mußte nicht nur meine, sondern auch Giacomis Börse geleert werden. Worauf ich Miroul meinen Beutel gab und ihm auf okzitanisch zuraunte, er solle ihn aus bewußtem Vorrat wieder füllen, falls ich mehr über Samarcas zu erfahren wünschte.
»Besten Dank, Chevalier, und Euch, Maestro«, sagte Mosca, indem er sich den Schnurrbart strich. »So hört denn: Dame Larissa und Samarcas gingen in der Frühe des 28. April in Dover unter Segel und landeten am Nachmittag in Calais, wo sie im ›Goldenen Lamm‹ nächtigten. Am 29. brachen sie mit einer Mietkutsche nach der Hauptstadt auf, und weil der Vermieter mit mir im Bunde ist, gab er ihnen einen Kutscher, durch den ich erfuhr, wo sie in Paris logieren. Zu meinem Erstaunen wohnen sie diesmal nicht, wie sonst immer, bei Monsieur de Montcalm.«
»Und wo dann?« fragte Giacomi ungeduldig.
»Leider, Maestro, könnt Ihr dort nicht hin, auch der Herr Chevalier nicht. Der Ort ist unzugänglich. Es ist die Abtei von Saint-Germain-des-Prés. Sogar der König wagt es nicht, seiner Gendarmerie dort Zutritt zu verschaffen, denn er wird ohnehin schon von sämtlichen Predigern der Hauptstadt zerrissen und gevierteilt.«
|124| »Aber woher«, sagte ich, meiner entschwundenen Taler gedenkend, »sollen wir dann wissen, ob Larissa tatsächlich dort ist?«
»Monsieur le Chevalier«, sagte Mosca erhobenen Hauptes, »ich handle nicht mit falscher Ware: Meine Meldungen sind so lauter und echt wie Eure Taler. Von Dame Larissa werdet Ihr außerhalb der Mauern nichts sehen. Wenn Ihr jedoch morgen Euren flinken Diener unweit der Pforte postiert, kann er beobachten, wie Samarcas, den Degen zur Seite und sehr edelmännisch angetan, herauskommt. Doch, um Himmels willen, laßt ihn nicht verfolgen. Ich habe bereits einen Mann auf ihn angesetzt, der Eure würde alles verderben.«
»Ihr laßt ihm nachspüren?« sagte ich. »Warum?«
»Monsieur le Chevalier«, sagte Mosca mit einem Lächeln, »beliebt Euch unserer Abmachung zu erinnern.«
»Ha, Monsieur, hundert Ecus, das ist viel!«
»Es ist wenig, da es um ein Staatsgeheimnis geht.«
»Das ich nicht unbedingt kennen muß.«
»Das zu kennen Ihr, Chevalier, das größte Interesse habt, weil unglücklicherweise Sicherheit und Leben einer Dame Eurer Familie daran hängen.«
Ich sah, wie Giacomi erblaßte und sich Zwang antat, meiner Bitte gemäß nicht in die Verhandlung einzugreifen. Und auch mir klopfte das Herz in dem Gedanken, welche Gefahr Larissa im Spinnennetz des Jesuiten lief.
»Miroul«, sagte ich endlich entschlossen, »zahle Monsieur Mosca die hundert Ecus.«
Was Miroul tat, aber, meiner Interessen eingedenk, mit sehr mürrischer, widerstrebender Miene. Und nicht weniger verdrossen sah ich meine blanken Taler in Moscas Börse wandern. Andererseits war nicht zu verkennen, daß besagter Mosca kein gewöhnlicher Schnüffler war, vielmehr das Oberhaupt eines gutorganisierten Ringes, und daß er sein ehrloses Gewerbe mit einer gewissen Ehrbarkeit betrieb, daß seine Nachrichten zuverlässig klangen und folglich nicht nur für meine Familie äußerst wichtig sein konnten, sondern auch für meinen geliebten Herrn und Gebieter.
Meine armen Taler versanken traurig klingelnd in Moscas Börse, der zog ihr wie ein Würger die Schnüre zu und stopfte sie in eine Geheimtasche unter seinem Wamsärmel, dann strich |125| er sich den fuchsroten Schnurrbart so behaglich und vergnügt, daß ich nur mit Mühe an mich
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