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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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überbringen habe, dulde keinen Aufschub. Zuerst widerstand ich seinem Drängen, doch erneuerte es der arme Mundane so verzweifelt, als hinge das Leben seiner Königin davon ab, und als auch Miroul dem Engländer und Giacomi beipflichtete, wollte ich nicht gegen alle anderen auf meiner Sicht beharren und gab, wider meinen besseren Instinkt, den Plan auf.
    Womit ich sehr unrecht hatte, wie es die verhängnisvolle Folge zeigen sollte. Bis zum heutigen Tag bewegt mich die Reue und bittere Lehre, die ich auf dieser Reise empfing, daß nämlich der Chef einer Truppe, so angeraten es auch sei, die Gefährten in der Stunde der Not zu befragen, letztlich allein, und sei es gegen die anderen, entscheiden muß, was er für das Sicherste hält, denn er trägt die Verantwortung für den Erfolg der Sache und für das Leben aller. Vor dieser Verantwortung versagte ich an jenem Tag, zum ersten und – geb’s Gott, daß ich meinen Schwur halten kann – zum letzten Mal in meinem Leben.
    Wir logierten zu Mâcon im Gasthof »Schwarzes Roß«, der in der nördlichen Vorstadt an einer »Totes Roß« genannten Kreuzung lag, wozu Miroul meinte, das arme Vieh müsse wohl an der Pest gestorben sein, weil es dergestalt nun im Schild des Gastwirts figuriere. Anscheinend hatte es aber auch dessen Seele angesteckt, da er uns dermaßen schröpfte und uns fünf Ecus abpreßte, wo zwei genügt hätten, indem er sich darauf berief, daß sein Haus wegen der großen Straße keinen Mangel an Gästen habe. Was sich insofern bestätigte, als eine Stunde später, während wir mit unserem Mahl beschäftigt waren, vier Reiter einkehrten, sichtlich niedere Männer, bärtig und schmutzig, die er am unteren Ende unseres Tisches plazierte und die, den Hut in die Augen gedrückt, übers Essen herfielen wie Säue über den Trog, und der Anführer reinigte sich die |185| Zähne mit seinem Messer. Anführer, sage ich, denn als solcher erschien er nach seiner Autorität über die drei anderen, obwohl er der Kleinste war, wieselflink und ein Fuchsgesicht.
    Abgestoßen vom Anblick dieser Schweinskerle, die sich in ihrer Verfressenheit mit Soße bekleckerten, wandte ich meine Augen dem Kommen und Gehen der Bedienerin zu, einer hübschen und lebhaften Person mit schwarzen Augen und rabenschwarzem Haar, die der Teufelswirt Marianne rief. Als sie uns zu trinken brachte, machte sie zuerst Giacomi, dann mir kleine Avancen, weil aber keiner von uns sie ermutigte – Giacomi war in Schwermut befangen, ich in Gedanken an meine Angelina – , warf sie das Gros ihrer Truppen unverweilt auf Miroul. Und sosehr mein guter Diener seine Florine liebte, war er doch nicht der Mann, einem Unterrock zu widerstehen, vielmehr kapitulierte er bei den ersten Scharmützeln, worauf die Schelmin ihre Angriffe derweise verstärkte, daß sie ihm beim Bedienen wie aus Versehen ihr schmuckes Brüstchen vor den Mund schob und ich daraus schloß, daß mein lieber Miroul seine Kräfte in der kommenden Nacht schwerlich auffrischen werde.
    Wie meine Augen der Hübschen nun in ihrem gewandten und geschmeidigen Hin und Her folgten – übt doch der weibliche Körper eine unbezwingliche Anziehung aus, wenn er in Bewegung ist –, sah ich sie auf einmal am unteren Tischende ziemlich lange mit besagtem Fuchsgesicht schwatzen, und sie verlor ein wenig in meiner Achtung, daß sie sich mit dem niedrigen Kerl abgab, erst recht aber, als ich sah, wie sie darauf an unser Tischende kam und meinem Miroul, der ihr den Hintern tätschelte, hart auf die Hand schlug und ihn fortan links liegen ließ wie schimmeliges Brot, dafür aber ihre Batterien jählings Mister Mundane zuwandte, der sie die ganze Zeit allerdings keine Sekunde aus den Augen gelassen hatte, und so viele Salven auf ihn abschoß, daß sie eine Bresche schlug und den Platz im Handumdrehen eroberte. Ha! dachte ich, wie viele dieses süßen Geschlechts doch dem Monde gleichen, der im Lauf eines Monats hunderterlei Gesichter annimmt! Nur daß es hier nicht Tage, sondern Minuten waren!
    Der Gierhals von Wirt ermahnte uns nach dem Mahl, zur Nacht die Fensterläden fest zu schließen, denn in dem Vorort wimmle es von schweren Jungs, und wenn die im Mondlicht ein offenes Fenster sähen, stiegen sie ungescheut ein und |186| machten sich den Schlaf der Gäste zunutze. Auch unsere Pferde sollten wir gut anbinden im Stall und unsere Diener heißen, von Zeit zu Zeit nach ihnen zu sehen, denn zwar sei das Haustor gut verschlossen und verriegelt, doch könne man

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