Noch immer schwelt die Glut
öffne, sobald er eingeschlafen ist. Das Fuchsgesicht hat gesagt, sie wollten ihm bloß einen Streich spielen.«
»Und das hast du geglaubt, dumme Trine?«
»Wie sollte ich es nicht glauben, wo ich doch seine Ecus in Händen hatte! Ich wunderte mich nur, daß er sagte, ich sollte durch die Tür entwischen, nachdem ich das Fenster aufgesperrt hätte, aber ich versteckte mich unterm Bett, um den Spaß mit zu erleben. Hafen der Gnade! Ich dachte, sie würden mit ihren Klingen die Matratze durchstoßen und mich bei lebendigem Leibe aufspießen! Und denkt Euch, Monsieur, welche Todesangst ich ausstand, daß sie unters Bett sehen und mich auch ermorden könnten. Aber Gott sei Dank dachten sie nicht daran, sie waren voll beschäftigt, das Gepäck zu durchwühlen. Als Ihr klopftet, nahmen sie alles mit.«
»Giacomi«, sagte ich auf italienisch, »es ist klar, daß die Spadaccini den Brief gesucht haben.«
»Monsieur«, sagte Marianne, die auf einmal wieder Farbe und Sicherheit gewann, »ich verstehe Italienisch. Und ich weiß, was mit dem Brief ist, weil ich im Spiegel sah, wie der Goddam ihn versteckte, als ich mich auszog.«
»Wo ist er?«
»Werde ich es Euch sagen, bevor Ihr versprochen habt, mich nicht dem Vogt auszuliefern?«
»Zum Donner!« rief ich zornig, »was für ein abgefeimtes Weib! Man ermordet einen Edelmann vor ihrer Nase, und sie feilscht wie eine Florentinerin!«
»Ich bin eben Florentinerin«, sagte Marianne ungerührt.
»Schurkin«, sagte ich, »wenn ich dich ausliefere, öffnet die Folter dir den Mund.«
»Aber nicht vor Euch allein«, sagte Marianne, die offenbar gerissener war, als ich dachte.
So fragte ich Giacomi auf lateinisch, was er von der Sache halte, und er meinte, da der Brief ein Staatsgeheimnis sei, das man nicht dem Vogt von Mâcon überlassen dürfe, müsse man verhandeln.
Ich aber packte Marianne jählings bei den langen Haaren und richtete meinen blanken Degen auf ihre Brust.
|191| »Rede, bei deinem Leben!« schrie ich, so bedrohlich ich konnte.
»Monsieur«, sagte Marianne, auf einmal lächelnd, »Ihr scherzt! Ihr wolltet eine Frau töten, da es Euch schon so sehr widerstrebt, sie dem Henker zu überliefern?«
»Pierre«, sagte Giacomi auf lateinisch, »das Weib hat sich im Nu auf dich eingestellt. Ich weiß wirklich nicht, was ich von ihr denken soll, aber wenn sie mit den Mördern unter einer Decke steckte, hätte sie ihnen doch verraten, wo Mundane den Brief verbarg.«
Diese Beobachtung überzeugte mich, sie schien Marianne zu entschulden, und wiederum gehorchte ich meiner Schwäche anstatt meinem inneren Gefühl.
»Weib«, sagte ich, »den Brief her, und du bist frei.«
»Monsieur le Chevalier«, sagte Marianne, indem sie mir in die Augen sah, »gebt Ihr mir darauf Euer Edelmannswort?«
»Du hast es. Aber, woher weißt du«, fragte ich, auf einmal stutzend, »daß ich Chevalier bin?«
»Ich hörte«, erwiderte Marianne, ohne zu stocken, »wie der Gardesergeant Euch so anredete.«
Obwohl das möglich war, glaubte ich ihr nicht, überging dies aber in der Ungeduld, den Brief in die Hände zu bekommen, der die Interessen dreier Königreiche berührte, denn war er von Navarra auch an Elisabeth allein gerichtet, bezweifelte ich doch nicht, daß er auch meinen Herrn betraf.
»Der Goddam hat den Brief unter die Truhe dort geschoben«, sagte Marianne, so als widerstrebte es ihr sehr, mir den Brief auszuliefern.
Die Truhe war mit Eisen beschlagen und so groß und schwer, daß ich Giacomis Hilfe benötigte, sie anzuheben, und ich staunte, daß Mundane dies allein geschafft haben sollte.
»Versprochen ist versprochen«, sagte ich, als ich den Brief in Händen hielt. »Du kannst gehen, Marianne.«
»Gott sei Dank, und Dank auch Euch, Monsieur le Chevalier«, sagte Marianne, indem sie mit einer unterwürfigen Reverenz, die ihrem Blick widersprach, der durchaus nicht nachgiebig wirkte, durch die Tür entschwand.
»Sie sollte besser dem Teufel danken«, sagte Giacomi, indem er sich Mundanes Leiche näherte und melancholisch hinzusetzte: »Ist es nicht ein Jammer, daß wir diesen guten Edelmann |192| so wenig betrauern, weil der verwünschte Brief, um dessentwillen er sterben mußte, unsere Aufmerksamkeit bannt?«
»Ihr habt recht, mein Bruder«, sagte ich. »Aber wer kann den gefallenen Kameraden beweinen, solange der Kampf fortdauert? Und ich fürchte, wir sind mit diesem Geheimnis in Händen jetzt alle in großer Gefahr.«
Da er stumm blieb – ich glaube, daß er
Weitere Kostenlose Bücher