Noch immer schwelt die Glut
sich bekehrt, werdet Ihr sehen, wie ihm augenblicklich ganz Frankreich zuläuft und seine Kräfte, seine Mittel, seine Reichtümer anbietet.‹
›Soll man seine Seele um Mammon verschachern?‹ fragte Marmet.
›Aber‹, sagte Roquelaure mit naiver Schamlosigkeit, ›muß der König die Messe, die Euch so widerstrebt, denn mit dem Herzen hören? Kann er nicht Katholik nur äußerlich werden, nur mit den Lippen?‹
Hierauf aber fiel ein so langes, schweres und frostiges Schweigen über den Raum, daß der arme Roquelaure, der selbst katholisch war, aber auf die weltlichste Art, eine Weile verunsichert war, weil er nicht begriff, wie die Hugenotten in diesem Kapitel empfanden, das er mit seltener Leichtfertigkeit eröffnet hatte. Indessen pflanzte er sich auf seine starken Beine, woraus er neue Kraft zu schöpfen schien wie Antäus.
›Wenn wir‹, fuhr er fort, und seine schwarzen Augen schleuderten Blitze, ›wenn wir den König von Frankreich vor den Kopf stoßen, besteht die Gefahr, daß er gezwungen ist, sich mit Guise zu einigen, und daß die Hugenotten die Kosten dieser Einigung tragen. Und nun frage ich alle hier Anwesenden: Ist es nicht besser, fünfhundert Messen zu hören, als einen neuen Bürgerkrieg zu entfachen mit all seinen Schrecken?‹
Vor Hugenotten drohende Metzeleien heraufzuschwören, die sie oft genug ausgestanden hatten, war eine Sprache, die sie verstanden, und auch wenn die ›fünfhundert Messen‹ ihnen im Halse steckenblieben, verfehlte Roquelaures Argument seine Wirkung nicht, obwohl Marmet stumm blieb, weil er alles gesagt hatte, Du Ferrier schwieg, weil er zuviel zu sagen |179| hatte, und der König schwieg, weil er den Mund nicht auftun konnte, ohne zu entscheiden, und er noch nicht entscheiden wollte.
›Nun, mein Vater‹, sagte der König zu Du Ferrier, ›was dünkt Euch von alledem?‹
›Daß man‹, sagte Du Ferrier in sehr maßvollem Ton, ›die Wirkungen einer sofortigen Bekehrung kühl überprüfen muß. Ich meine, sie wären nicht gut, sowohl bei den Katholiken – sie fänden sie unaufrichtig –, als auch bei den Hugenotten. Welches aber wären die Vorteile? Für mein Gefühl sehr zweifelhafte, der Hof und Paris sind, was sie sind. Ich halte also die Stunde für ein so beträchtliches Zugeständnis noch nicht gekommen, es würde alles verwirren, anstatt zu klären. Der König von Navarra hat die Religion schon zu oft gewechselt. Und ich glaube, er bleibt besser, was er ist, anstatt sich der Gefahr auszusetzen, als wankelmütig und leichtfertig dazustehen, ohne eine gewisse Wahrscheinlichkeit, daß es ihm frommt. Was also bleibt zu tun?‹ fuhr er fort. ›Der Gerechtigkeit treu bleiben und wachen, daß die Katholiken nicht über die Hugenotten herfallen und die Hugenotten nicht über die Katholiken. Ganz Frankreich wartet doch darauf. Beide Parteien, die heute so unvereinbar scheinen, müssen durch Barmherzigkeit auf sanfte Weise zur Einigung geführt werden.‹«
»Ha, mein Herr Vater!« rief ich, »welch edle Worte! Sie erinnern mich lebhaft an das, was Etienne de la Boétie uns eines Tages auf Mespech sagte und was auch Montaigne in seinen ›Essais‹ sagt.«
»Und seinerzeit auch Michel de l’Hôpital«, sagte Jean de Siorac. »Die großen Geister dieses Jahrhunderts plädieren alle für Toleranz. Doch weiter. In der Stille, die auf Du Ferriers Erklärung folgte, der ja die Bekehrung des Königs nicht absolut verwarf, sie nur jetzt nicht angebracht fand, spürte man, daß Roquelaure das Spiel verloren hatte, während der König, ohne dem einen recht, dem anderen unrecht zu geben, sich nur zu Du Ferrier hinabbeugte und ihm ein paar Worte ins Ohr sagte. Worauf er mit leichtem Gruß in die Runde und einem freundschaftlichen Lächeln die Tür öffnete und ging.«
Am folgenden Tag, dem 11. Juli, erhielt mein Vater in aller Frühe den Besuch des Königs von Navarra, der, nur von Roquelaure begleitet, mit ihm einen Imbiß einnahm, welcher einzig |180| von Mundane serviert wurde, der in aller Eile geweckt worden war. Dann zog mein Vater sich zurück, Navarra und Roquelaure blieben mit dem Engländer allein. Und was bei dieser Gelegenheit gesprochen wurde, weiß ich nicht, aber ich kann es mir denken, da Königin Elisabeth an der Schwächung Navarras kein Interesse hatte, solange Guise drohte, Frankreich in das spanische Lager zu drängen, in welchem Fall England sehr isoliert auf seiner Insel wäre, zumal man überall zu munkeln begann, daß Philipp II. eine
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