Noch nicht mal alleinerziehend
gerne.«
Rosa tätschelte Noras Hand. Sie hockten immer noch nebeneinander auf dem Boden. »Bereuen Sie es?«
»Nein.«
»Was meinen Sie, was Sie da gemacht haben, indem Sie so entschieden haben?«
Nora schaute Rosa mit festem Blick an. »Verantwortung übernommen.«
Rosa drückte einfach nur Noras Hand und zwinkerte ihr zu.
Angst, Reue, ein mulmiges Gefühl, Wut oder ein schlechtes Gewissen, so hatte Rosa ihr noch mit auf den Weg gegeben, seien wichtige Indikatoren dafür, dass man eventuell auf dem Irrweg sei. Es sei wichtig, für dieses »innere Alarmsystem« empfänglich zu sein und zu bleiben. Es funktioniere wie ein Stoppschild, das einem die Zeit verschaffe, innezuhalten, zu überdenken, neu abzuwägen und eine andere Richtung einzuschlagen, wenn nötig. Nora fand das ungemein beruhigend. Irgendwie gab es ihr das Gefühl, mit allem fertig werden zu können, weil sie mit einem Super-Navigations- und Gefahren-Abwehr-System ausgestattet war! Im Moment schlug nichts in ihr Alarm. Alles war friedlich …
U nd, wie soll es jetzt weitergehen?«, fragte Frauke und schaute Nora von der Seite an. Es war Ende Juni, ein herrlicher Sommertag. Sie saßen nebeneinander auf einer Bank, auf dem neuen Abenteuerspielplatz in der Marienburg. Kira spielte seelenruhig im Sandkasten mit anderen Kindern, die alle von ihren durchgestylten Müttern beobachtet wurden. Nora zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es noch nicht genau. Vorerst habe ich mich entschlossen, das zu tun, was ich kann: Imageberatung.«
»Aber das wolltest du doch nie mehr machen?!«
»Stimmt, aber ich muss ja irgendwie Geld verdienen. Die Geldkeller sind leer und schreien nach Aufmerksamkeit. Und bevor ich nicht die rettende Idee habe …« Nora machte eine Pause, sah sich auf dem Spielplatz um und lachte. »Hey, vielleicht sollte ich hier einfach einen Prosecco-Stand aufmachen? Die Ladys sitzen doch total auf dem Trockenen. Ich könnte auch Latte Macchiato anbieten. Und Lachshäppchen. Das wäre bestimmt der Renner.«
Frauke lachte und schüttelte den Kopf. »Du spinnst!«
»Erzähl mir etwas, das ich nicht schon weiß!«
»Na ja, meinst du denn, das klappt, wenn du wieder in deinen alten Job gehst? Du hast da so einen Hals geschoben … Ich hätte mit allem gerechnet, aber nicht damit.«
Nora schmunzelte. Sie hatte sich bei Rosa ebenfalls intensiv mit dem Thema »berufliche Zukunft« auseinandergesetzt. Rosa hatte ihr einen unfassbar langen Fragenkatalog gegeben, den Nora ganz ehrlich beantwortet hatte. Laut Rosa schrie jede ihrer Antworten nur ein Wort: Freiheit! Die Selbstständigkeit schien für Nora die beste Wahl zu sein. Dennoch hatte Rosa ihr ans Herz gelegt, sich in Strukturen einzufügen, Kompromisse zu schließen und zukünftig nicht die Dinge aufzugeben, bevor sich die passenden Alternativen böten. »Was wollten Sie werden, als Sie klein waren?«, hatte Rosa sie gefragt.
Nora schüttelte den Kopf und gab ihr keine Antwort.
»Nora, was wollten Sie werden, als Sie klein waren?«
»Peter Pan!«
»Bitte?« Rosa schaute sie nun amüsiert, aber auch ein wenig ungläubig an.
»Ja, ich dachte, dass sei ein echt krasser Job, dafür zu sorgen, dass in Nimmerland alles so läuft, wie es eben läuft. Gefahren abzuwehren und so …« Nora musste jetzt selbst lachen, fuhr dann aber ernst fort: »Wissen Sie, Frau Glücksburg, darüber hinaus hatte ich nie einen konkreten Berufswunsch.« Das stimmte. Nora war eher in alles reingeschlittert. Das Gefühl, keine Entscheidungen getroffen zu haben, immer nur auf fahrende Züge aufgesprungen zu sein, um bei der nächsten Station wieder auszusteigen, belastete sie. »Nun«, hatte Rosa gesagt, »wenn ich mir Ihren Lebenslauf anschaue, dann haben Sie viele Entscheidungen getroffen. Sie haben sich für oder gegen ein Angebot entschieden. Aber Sie haben sich entschieden, Nora. Definitiv.«
»Ist es nicht furchtbar beunruhigend, keine konkrete Vorstellung davon zu haben, was du in Zukunft machen möchtest?«, fragte Frauke jetzt weiter.
»Ach Frauke, weißt du, es soll Menschen geben, die werden in ihrem Leben nicht nur einen Beruf ausüben. Die haben viele Anlagen und Interessen. Es gibt hier nicht nur Schwarz und Grau. Niemand sagt, dass ich einen bestimmten Beruf ausüben muss. Für manche Menschen ist das wichtig, weil sie Sicherheit brauchen. Für mich ist Selbstverwirklichung wichtiger. Wichtig ist lediglich, dass ich in solchen Übergangsphasen, also jetzt, dafür sorge, dass meine Existenz nicht
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