Noch nicht mal alleinerziehend
batteriebetriebene Wippe, Schwangerschaftsyoga, 3-D-Ultraschallbilder, Babyzeichensprache, Baby-Englisch-Kurse bis zur Nanny. Trug man früher in der Schule vielleicht nicht die hippste Jeans, so schiebt man heute den falschen Kinderwagen vor sich her. Verstehen Sie mich jetzt nicht falsch, Nora, es geht mir nicht darum, mich auf die Seite der Mütter zu stellen. Ich bin nicht parteiisch. Es geht hier nur um einen Perspektivenwechsel.«
»Und was ist dann passiert?«, unterbrach Frauke Noras Redefluss. Das Pärchen verließ gerade die Weinbar, und Nora und Frauke waren jetzt, bis auf das Personal, ganz alleine.
»Rosa hat mir gesagt, ich soll mich fragen, wie sehr ich tatsächlich am Leben meiner Freunde teilnehme. Oder ob ich nur Zaungast bin, der von seinem gemachten Nest aus beobachtet und die ganze Aufregung nicht versteht.«
Frauke nickte vielsagend, als sie antwortete: »Kluge Frau, diese Rosa.«
Dass Rosa sie gebeten hatte, darüber nachzudenken, wovor sie tatsächlich Angst habe, erwähnte Nora nicht mehr. Ihr reichte der Seelenstriptease für heute.
A ngst! Wovor hatte Nora Angst? Als sie am Sonntagnachmittag bei Kim im Loft saß, hatte sie sich diese Frage noch nicht beantworten können. Kim hatte sie, nachdem Nora mit Frauke so überstürzt seine Vernissage verlassen hatte, zum Kaffee eingeladen. Er hatte dafür gesorgt, dass sie ungestört waren. Marie war mit den Kindern in irgendein Spaßbad gefahren. Auf dem Tisch stand ein gerahmtes Foto von dem Ölgemälde »… tiefer Freundschaft«, das Kim für sie gemacht hatte. Sie hatte ihm eine Flasche schottischen Single Malt mitgebracht – den liebte er so. Kim wäre nicht Kim gewesen, wenn er mit der Tür ins Haus gefallen wäre, also berichtete er zuerst ausführlich von der Vernissage, die ein voller Erfolg gewesen war. Von 35 Bildern hatte er schon am ersten Abend 16 verkauft. »Das ist ja großartig«, freute sich Nora. »Mensch, du wirst noch ein echter Versorger. Hätte ich das früher geahnt und dich auch nur ein bisschen sexy gefunden, dann hätte ich mir dich gekrallt, bevor Marie bis drei hätte zählen können.«
Kim nahm diese Vorlage dankend an und stieg ohne Umschweife ins Thema ein. »Das heißt, der Argentinier ist definitiv kein Kandidat mehr für diese Rolle?«
»Wir haben derzeit Funkstille.« Sie erzählte ihm kurz von ihrem letzten Telefonat mit Mariano.
»Ich habe dir doch gesagt, dass der Knabe es ernst meint«, sagte Kim.
»Ja, hast du. Aber ehrlich gesagt, habe ich mir über Mariano gar keine Gedanken mehr gemacht. Es gibt gerade so viel anderen Kram, den ich sortieren muss, bevor ich zu dem Thema ›Beziehung‹ komme.«
»Und das wäre?«
Sie gab ihm einen kurzen Abriss ihrer bisherigen Besuche bei Rosa und setzte dort an, wo sie bei Frauke aufgehört hatte. »Und jetzt soll ich mir überlegen, ob ich tatsächlich am Leben der anderen teilnehme, warum ich so verunsichert bin und was mir eigentlich Angst macht.«
»Ich hatte eigentlich immer den Eindruck, dass dein Lebensentwurf ziemlich gefestigt ist. Du warst für mich nie eine dieser Frauen, die plötzlich so einen immensen Druck in Sachen Familienplanung verspüren, nur weil ihnen die Zeit davonläuft oder ihr Freundeskreis hauptsächlich aus Menschen besteht, die sich gebunden und Kinder bekommen haben.«
Nora lachte. Rosa hatte etwas Ähnliches zu ihr gesagt, aber dass Kim jetzt so sprach … »Wie redest du denn? Aus welcher Frauenzeitschrift hast du das denn geklaut?«
»Nun ja, ich leide halt mit dir«, sagte er augenzwinkernd. »Aber echt, ich habe gelesen, dass es vielen Frauen ohne Kinder so geht, weil sie sonst plötzlich ganz alleine dastehen im Freundeskreis.«
Telefonierte Kim heimlich mit Rosa? Genau das waren ihre Worte gewesen. Sie hatte Nora erzählt, dass Frauen oft irgendwann unter Zugzwang stünden und es dann nicht mehr um die Frage ging, ob man Kinder will, sondern wann und wie.
Der Satz mit » … im Freundeskreis ganz alleine dastehen« hatte schon bei Rosa seine Wirkung nicht verfehlt und diese zur finalen Frage der letzten Sitzung veranlasst: »Fragen Sie sich, wovor Sie tatsächlich Angst haben.« Als sie hier so bei Kim saß, musste sie sich eingestehen, dass sie tatsächlich Angst davor hatte, ganz alleine dazustehen. Grundsätzlich war sie zwar ein Mensch, der viel und gerne Zeit mit sich verbrachte, aber ihre Freunde waren stets wie ein sicherer Hafen dagewesen, wenn Nora wieder den Anker werfen wollte. Und jetzt schien dieses Bild
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