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Nochmal tanzen - Roman

Nochmal tanzen - Roman

Titel: Nochmal tanzen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Limmat-Verlag <Zürich>
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zu äußern.
    Alexander lebte als junger Mann eine Weile in Amerika. In Chicago machte er ein Praktikum bei einem Architekten. Ist Dir Frank Lloyd Wright ein Begriff? Alexander hat so von ihm gesprochen, als müsste man ihn kennen.
    Ich höre Dich «Sieht Alexander gut aus? Ist er verheiratet?» fragen. Ja, sieht er gut aus? Das tun wir nicht mehr. Ich sehe vielleicht für mein Alter gut aus, oder im Vergleich zu Susanne. Hübsch waren wir früher – nur war ich mir dessen damals nicht bewusst.
    Alexander wirkt gepflegt. Er trug gebügelte Hosen und Hemd, dazu Turnschuhe. Er geht gebeugt, bewegt sich jedoch geschmeidig. Er hat dünne Lippen und Papierhaut. Ich denke, er ist älter als ich. Alexander lebt alleine, wandert viel, meist alleine, wie er sagt, weil sein Bruder bettlägerig sei. Er hatte ein eigenes Geschäft und scheint einiges gebaut zu haben in der Stadt. Früher hätte ich mich in seiner Gegenwart nicht getraut, den Mund aufzumachen.
    Sie sieht Alexander am Marmortischchen sitzen. Er blättert langsam eine Seite um und gibt acht, auf dem Bild keinen Fingerabdruck zu hinterlassen. Nun, da sie ihm von der jungen Nachbarin erzählt, schaut er sie an. «Die Jungen haben es heute schwer», sagt er, «es ist eng um sie.»
    Sie nickt. «Alles dreht sich darum, ob sie Arbeit finden.»
    «Ich habe mit zwanzig einem Architekten einen Brief geschrieben und darum gebeten, für ihn zu arbeiten. Er empfing mich zum Gespräch, obwohl ich Schreiner war. Heute geht ohne Diplom nichts. Nicht einmal die Kunstschulen nehmen Junge ohne Matura auf.»
    Liegt Unsicherheit in der Stimme, als er «Bist du verheiratet?» fragt? Sie weiß nicht, was antworten. «Ledig» klingt nach alter Jungfer, «geschieden» wie «gescheitert».
    «Ich lebe alleine.»
    Als sie Fritz verließ, hätte sie nicht gedacht, dass sie so lange alleine sein würde. Männer gab es schon. Feuer gefangen hatte sie auch. Und doch war immer irgendetwas. «Eine Frau wie du», hatte Martin gesagt und sich gewundert. Sie sich auch. Ein Mann wie Alexander. Er sagte nichts über Beziehungen. Was das zu bedeuten hat? Martin wüsste es.
    Fleur nimmt eine Packung Schokoladekekse aus ihrer Mappe, setzt sich damit an den Esstisch und blättert in der Zeitung. Bei einem verwackelten Foto hält sie inne. Ein Elefant vor der Chanel-Auslage an der Bahnhofstraße. Wie die Elefantendame im rosaroten Kostüm in ihrem Lieblingsbilderbuch. Sie hat sich aufgemacht, ein neues Kleid zu kaufen. Fleur liest: «Die Elefantenkuh türmte aus dem Zirkuszelt, nahm ein Bad im See und trottete danach, gefolgt von zwanzig Polizisten in sicherem Abstand, die Einkaufsmeile entlang. Sie schaute sich die Schaufenster an, wackelte mit den Ohren. Dann nahm sie Kurs auf den Bahnhof. Hinter ihr ein Tross Polizisten und Zirkuswärter. Ihr Lieblingswärter rief ihr zu, sie solle umkehren. Doch die Elefantenkuh legte sich auf das Tramgleis, um sich auszuruhen. Die Zirkusleute schlichen sich an, die Polizisten hielten Tram und Autos auf. Als ihr Wärter vor ihr stand, hob sie den Kopf und ließ sich widerstandslos zurückführen.» Fleur kichert. Mit einer Madonna darauf gäbe das Foto ein Votivbild ab. Das Tier würde dazuschreiben lassen: «Maria sei Dank.» Beim Zirkusdirektor würde es heißen: «Madonna hat geholfen.»
    Fleur blättert weiter. «Wundersame Rettung» springt ihr ins Auge. In einem Erdbebengebiet wurde ein zwei Wochen alter Säugling lebend aus den Trümmern geborgen. Auf dem Foto halten ihn zwei Retter mit Helmen in die Kamera, als wären sie die Eltern. Fleur greift nach dem dritten Keks, lässt die Augen über die Seiten gleiten.
    «Danksagung und Abschied.
    Mein liebster Vater,
    plötzlich bist Du gegangen. Was soll ich tun ohne Dich? Wie soll ich weiterleben ohne Deinen Rat, Deine Anteilnahme? Wer hört meine Wut ab und poliert das Auto mit mir? Papa, Du bleibst der Größte für mich.
    In Verzweiflung und ewiger Liebe, Deine Denise.»
    Fleur kommen die Tränen. Ihr Papa ist nicht der Größte. Er sagt ihr nicht einmal, dass er eine Freundin hat. Die Freundin, ihr Kind, die Arbeit, das Training, alles ist wichtiger als sie. Wäre sie doch gesprungen. Vater würde nie wieder ein Kind auf seinen Schultern tragen, ohne an sie zu denken.

6
    Alice deckt den Zopfteig ab und prüft mit dem Finger, ob er luftig ist. Welche Fragen würde sie gerne beantworten? Ihr fallen nur Sätze ein, die sie gerne hörte. Du gefällst mir. Du faszinierst mich. Ich bin gerne mit dir zusammen. Ich

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