Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit
weiß.“
„Versprich mir, dass du zurückkommen wirst.“
Sie hielt ihren Blick gesenkt. Versuchte, nicht ertappt auszusehen. „Was meinst du?“
„Du siehst schwach aus. Ganz mager und blass. Als wärst du nicht mehr ganz hier. Jede Vision scheint dich mehr auszuzehren. Vielleicht verschwindest du einfach aus der Gegenwart.“
Sara dachte an die Worte, die vorhin durch ihre Erinnerung geweht waren. Wenn du dich entscheiden musst, mein Blauauge, entscheide dich immer für die Z u kunft.
Nocona hatte damals gewusst, dass sie sich wiederfinden würden. Vie l leicht hatte er auch gewusst, dass ihr Weg sie hierher führen würde. In diese Hütte, in diesen Moment, in diese Situation. Vor allem aber war ihm klar gewesen, dass sie sich für eine Seite entscheiden musste, und dass sie Gefahr lief, nicht nach vorn , sondern zurück zu gehen.
„Ich komme wieder. Versprochen.“
„Schwöre es mir“, verlangte er. „Schwöre es mir hoch und heilig.“
Sara holte tief Luft. Vielleicht lag hier bereits der Moment der En t scheidung. In diesem Schwur. Sie dachte an ihre Zukunft, an all die schönen Momente, die sie noch teilen würden. Jahre, Jahrzehnte. Hier an diesem wunderschönen Ort. „Ich schwöre es hoch und heilig.“
Die Worte kamen b eruhigend leicht über ihre Lippen. Makah schien zufrieden. „Am Freitag führe ich wieder einen Wande r ritt. Wenn du möchtest, begleite mich. Ich werde Ross sagen, dass ich diesmal die Ro u te selbst bestimmen will. Es gibt Orte, die ich dir zeigen will.“
„Orte aus unserer Vergangenheit?“
„Lass dich überraschen.“
Er stand auf, nahm sie bei der Hand und führte sie zum Sofa. Gemei n sam kus chelten sie sich unter die Decke und schmi egten sich aneinander . Eine Weile dösten sie in die Stille hinein, ohne dass der Sog kam. Sara fühlte sich sicher. Geborgen und beschützt. Sie würde zurüc k kehren. Sie musste zurückkehren.
Müde schloss sie die Augen und trieb davon. Makahs Herzschlag leit e te sie durch das Labyrinth von Zeit und Raum wie der Faden der Aria d ne.
„Es schlägt für dich“, sagte eine Stimme in ihrem Kopf. „Nur für dich. Damals, heute und für immer.“
Naduah, 1848
N
aduah wachte auf und hasste sich. Der Dämon vergi f tete ihr Blut, ließ sie ihr Essen hochwürgen, verbran n te ihre Eingeweide. Im letzten Moment schaffte sie es, aus dem Zelt zu kriechen, ehe sie sich in den Staub übergab. Die Übelkeit war überwältigend. Schmerzen brandeten wie eine Sturzflut durch ihren Körper, folterten ihn, warfen ihn hin und her, malträtierten ihn, bis Naduah alles und jeden verabscheute. Selbst die Menschen, die sie liebte.
Nocona ertrug sie seit L ängerem nicht mehr, ebenso wenig, wie sie ihn ertrug, und das, obwohl sie innerlich danach schrie, ihn en d lich wieder zu spüren. Ihn zu küssen, vor ihm auf die Knie zu fallen und um Verze i hung zu bitten für all die Schmerzen, die sie ihm zugefügt hatte. Willen t lich. Unfreiwillig. Aus reinem Hass. Nicht gegen ihn, so n dern gegen sich selbst. Im gleichen Maße, wie ihr Hass wuchs, wuchs auch ihre Seh n sucht nach ihm. Warum tat sie das? Warum nur, warum? Hatte sie sich selbst verloren? War ihr Verstand mit ihren Eingeweiden im Staub vers i ckert?
Wies sie Nocona ab, schrie sie innerlich vor Qual. Doch gerade diese Qual war es, die der Dämon für sich nutzte. Naduah trieb sich selbst auf einen Abgrund zu. Sie zwang sich dazu, hinunterzuspringen. In ihr Ve r derben. Obwohl sie wusste, dass es falsch war. Der Kokon, in den der sie Dämon hüllte, wurde immer undurchdringl i cher. Und jedes Mal , wenn sie Quanah oder Nocona durch ihr Verhalten wehtat, triumphierte dieses Wesen.
Seht her. Ich bin schlecht, ich bin böse. Ich verdiene euch nicht.
Als die Übelkeit verebbte und sie zurück ins Zelt kroch, erlebte Naduah einen der selten gewordenen klaren Momente. Sie war allein. Absolut allein. Dieses Wissen war schlimmer als jeder Krampf. Schli m mer als die Übelkeit und die hämmernde Pein in ihrem Schädel. Atemlos lag sie da, eingesponnen in blankes Entsetzen. In ihrem Leib spürte sie die zarten Bewegungen des Kindes, das bald seine Freiheit einfordern würde.
Und was dann?
Wie konnte sie ihm eine Mutter sein? Wie konnte sie Nocona dazu verdammen, weiterhin mit ihr zusammenzuleben?
Jemand warf ruppig das Fell am Eingang beiseite und schlüpfte ins T i pi. Der Dämon fuhr hoch, holte tief Luft und spie dem Eindringling Gift und Galle entgegen. Gleichgültig, wer es
Weitere Kostenlose Bücher