Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit
war. Naduah wollte niemanden sehen. Niemanden.
„Komm mit!“ Makamnaya zeigte sich von ihren Schimpftiraden nicht beeindruckt. „Und wenn du noch einen Ton von dir gibst, werfe ich dich über meine Schulter, du dummes Weib.“
Naduah verschlug es die Sprache. Nicht etwa, weil dieser Mann völlig gleichgültig ob ihres Hasses war. Nicht, weil er ihr ihren eigenen, ba r schen Ton zurückgeschleudert hatte, sondern weil Makamnaya vor Wut brodelte. Sie hatte ihn niemals wütend gesehen. Und jetzt stand er vor ihr, zornig wie ein Grizzly, den man in seiner Höhle ausgeräuchert hatte.
„Komm!“ , blaffte er. „Sofort!“
Quanah begann zu weinen. Die Stimme des Kriegers polterte wie ein Gewitter durch das Zimmer. Naduah hob ihren Sohn auf, drückte ihn an ihre Brust und folgte Makamnaya ohne ein Widerwort. Der Dämon in ihr blieb still, brachte nichts weiter zustande als wilde, hasserfüllte Blicke. Angewidert atmete sie den süßen Duft der Frühlingsnacht. Sie hasste den klaren Himmel, die funkelnden Sterne, den glänzenden Spi e gel des Flusses und das wispernde Schilf.
Makamnaya führte sie zu Kehalas Zelt, fuhr zu ihr um und holte tief Luft. Etwas lag in seinen Augen, das kälter war als Eis. In Makamnayas Augen wirkte dieser Blick abgrundtief fremd.
„Er ging nur fort, weil er deine Nähe nicht mehr ertrug.“ Seine Stimme war wie kaltes Wasser, das einem dem Atem nahm. „Er ging, weil er verzweifelt war. So verzweifelt wie ein Mann nur sein kann, der von ganzem Herzen liebt. Mein Freund und Blutsbruder liebt dich mehr, als für seine Seele gut ist. Er würde alles für dich tun, und wie gibst du es ihm zurück? Du jagst ihn davon, ekelst ihn aus dem Zelt, bringst ihm nichts als Abneigung entgegen. Jetzt sieh, was du davon hast. Vera b schiede dich von deinem Mann, Naduah, denn er hat nicht mehr lange zu leben.“
Ihr Körper gefror. Sie hörte nicht mehr Quanahs Weinen, spürte nicht mehr den Wind, spürte nicht mehr sich selbst. „Was?“
Nein! Unmöglich. Nicht Nocona.
Eine Lüge. Das musste es sein. Nur eine Lüge.
„Er wollte jagen gehen.“ Makamnayas Stimme drang zu ihr vor wie durch einen schwarzen Nebel. „Dabei traf er eine Gruppe weißer Scouts. Er tötete alle, bis auf einen. Dieser letzte jagte ihm eine Kugel in den Kopf und nahm seinen Skalp. Ich bin zu spät gekommen. Mein Herz spürte, dass etwas Schreckliches geschehen würde, also folgte ich me i nem Blutsbruder, als ich sah, wie er davonritt. Meine Axt tötete den Scout, aber sie rettete Nocona nicht das Leben. Er ist dort drinnen. Ich wollte ihn zu dir bringen, aber er weigerte sich. Willst du die letzten Wo r te hören, die er gesagt hat? Willst du sie hören, undankbares Weib?“
Tränen rannen über ihre Wangen. Sie konnte nichts tun, gar nichts. Nicht einmal nicken. Nicht einmal mehr hassen.
„Sie liebt mich nicht mehr“, sagte Makamnaya leise. „Das waren seine Worte. Sie liebt mich nicht mehr.“
Naduah drückte Makamnaya Quanah vor die Brust und stürmte ins Zelt. Ihr Atem hallte in der Stille wider. Es war dunkel, furchtbar dunkel. Sie blieb stehen, blinzelte, hielt sich an einem Zeltpfosten fest, um nicht in die Knie zu gehen. Es tat ihr so schrecklich leid. Wenn Nocona jetzt starb, würde auch sie sterben.
Neben einem fast erloschenen Feuer saß er. Aufrecht, ohne Anzeichen von Schwäche. Sie sah, wie er tief und regelmäßig atmete. So atmete kein Schwerverletzter. Schon gar kein Sterbender. Naduah wagte kaum, nach dieser Hoffnung zu greifen. Lügen waren ihr immer falsch erschienen, aber diesmal flehte sie darum, dass Makamnayas Worte solche gewesen waren.
„Was suchst du hier?“ Es war s eine Stimme. Und zugleich eine andere . Denn sie klang kalt und hart.
„Ich dachte … aber wie … bist du es?“
Ihre Augen begannen, sich an die Finsternis zu gewöhnen. Sie sah das Gesicht ihres Mannes, das sich langsam aus dem Dunkel schälte. Ein Verband war um seinen Kopf gewickelt. Kratzer bedeckten seinen nac k ten Oberkörper. Er lebte und würde nicht sterben. Er würde bei ihr bleiben. Makamnayas Worte waren lediglich eine List gewesen. Eine Waffe gegen den Dämon, die es geschafft hatte, den Panzer zu durc h dringen.
Naduah taumelte zu ihm, ging in die Knie und schlang ihre Arme um seinen Körper. Nichts geschah. Nocona blieb starr wie ein Felsen. Keine Wärme, keine Liebkosungen. Sie fuhr über den Verband, küsste seine Stirn, weinte und bat wimmernd um Verzeihung. Nichts.
Zu spüren, dass er sie
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