Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit
nicht willkommen hieß, schmerzte schlimmer als eine Klinge. Schlimmer als Feuer. Sie hielt einen Menschen aus Eis in ihren Armen.
„Es tut mir so leid“ , schluchzte sie. „Verzeih mir. Ich weiß nicht, w a rum ich dich so gequält habe. Ich habe mich dafür gehasst. Es war wie ein böser Traum, aus dem ich nicht aufwachen konnte. Du musst mir glauben. Ich wollte dir nicht wehtun.“
Sie nahm sein Gesicht in beide Hände, küsste ihn, streichelte ihn, fle h te mit Blicken um Vergebung. Selbst als er sie ansah, war da nicht einmal ein Hauch von Wärme. Er blickte durch sie hindurch. Nahm sie in voller Absicht nicht wahr. Behandelte sie wie Luft.
„Nocona! Rede mit mir. Bitte!“
Naduah hielt ihn fest und wartete auf ein Zeichen seiner Liebe. Doch nichts geschah. Irgendwann ließ er sich einfach nach hinten sinken, dre h te sich von ihr weg und tat, als schliefe er ein.
Die Qual war unerträglich. Naduah begriff, was sie ihm angetan hatte. Wieder und wieder. Tag für Tag, Nacht für Nacht. Und das, obwohl er nichts unversucht gelassen hatte, ihr zu helfen.
Sie legte sich neben ihn. Die letzte Glut erlosch, Dunkelheit hielt Ei n kehr. Von irgendwoher erklangen Stimmen, gefolgt von Hundegebell. Makamnaya, Quanah und Wanapin. Dazwischen Kehalas helle Melodie.
Sie schloss die Augen und spürte die brennende Spur heißer Tränen. Ein Krampf zuckte durch ihren Bauch. Grausam und reißend. Sie pres s te die Lippen aufeinander, doch es war zu spät. Ein Stöhnen entkam ihrer Kehle.
Nein! Nicht jetzt! Bitte nicht jetzt.
Ihr Schoß wollte zerreißen. Das Kind bewegte sich, drängte nach draußen, wand sich und drückte. Durch den Schleier ihrer Tränen sah Naduah den Rauchfang des Zeltes. Drei Sterne. Freundlich funkelnd.
Sie wollte nur noch sterben. Ihre Schuld war untragbar.
„Atme, mein Blauauge.“ Plötzlich waren da Finger, die sich um ihre schlossen. Sanft und warm. Ein S chatten ragte über ihr auf . Tie f schwarz über dem rauch i gen Dunkel der Nacht. Nach Salbei duftendes Haar streifte ihre Wange. „Ich hole Mahtowin und Peta.“
„Nein!“ Naduah fuhr hoch und umfing Nocona mit aller Kraft. War er wieder bei ihr? War er zur ihr zurückgekehrt? „Bleib bei mir. Bitte. Geh nicht weg. Ich brauche dich.“
Sie weinte. Krämpfe schüttelten ihren Körper, Schluchzer und leise Schreie verzweifelter Hoffnung. Alles würde wieder gut werden. Nie wieder würde sie ihm wehtun. Nie wieder!
Als ihr zweiter Sohn geboren wurde, schmerzhafter als Quanah, doch ebenso schnell, atmete sie den Duft gerösteter Pecannüsse ein. Ein neues Band ersetzte das alte. Von Erschöpfung übermannt schlief Naduah ein. Nocona lag an ihrer Seite, Pecan ruhte auf ihrer Brust. Zum ersten Mal nach einer gefühlten Ewigkeit war es ein guter Schlaf.
Nun war es ihr zweiter Sohn, der im Wiegenbrett hing, sicher verschnürt, an einem Ast im Sommerwind baumelnd . Hinter ihm ragten die Klippen des Canyons auf. Rot, golden und kupfern schimmer ten sie im Sonne n licht wie Flüsse aus Gestein. Quanah saß nicht weit entfernt auf seinem ersten Pony, einem sanftmütigen Rappen mit stämmigen Beinen und struppigem Fell, nicht schön zu nennen, aber genau das richtige Tier, um sein Können auf dem Pferderücken zu verfeinern.
Quanah stand seinem Vater in nichts nach, was das Reitta lent betraf. Sein drahtiger Körper, der den letzten Rest Babyspeck verloren hatte, strahlte jene in sich selbst ruhende Entspannung aus, die selbst bei E r wachsenen selten war. Seine kurzen Beine waren noch nicht geeignet, sich vernünftig am Pferdekörper festzuhalten, aber Quanah fand instin k tiv die richtige Balance, streckte seine Arme aus, verlagerte sein G e wicht nach vorn oder hinten, nach rechts oder links, je nachdem, wie Nocona das Pony führte.
Die Junge strahlte, dass es eine wahre Freude war. Naduah hielt in i h rer Arbeit inne, streckte sich im Sonnenschein und beobachtete ihre Familie, erfüllt von einem Glück, das sie schwerelos machte . Nach drei Runden brac h te Nocona das Pony zum Stehen , indem er behutsam den Kopf des Tieres umfasste. Er redete mit Quanah, sanft und mu r melnd, legte den Kopf schief, lachte und griff hoch, um seinem Sohn das Haar zu zausen. Inzwischen war es so lang wie das seines Vaters. Nicht ebenso nach t schwarz, sondern dunkelbraun, mit einem rötlichen Schimmer, wenn Sonnenlicht sich darin fing. Naduah sog jede ihrer Gesten auf, jedes Lächeln, jede Bewegung ihrer Lippen, fasziniert von der Art, wie ihr
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