Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit
Nocona blinzelte in die Sonne hinein. Er musste sich glücklich schätzen, denn die Geister hatten ihn mit einer wundervollen Familie beschenkt. Nach seiner Rückkehr hatte er Nad u ah bis zur völligen Erschöpfung geliebt. Sie waren ausgehungert, voller Erleichterung und Schmerz. Er war mehrere Tage lang nicht von ihrer Seite gewichen, gierig nach ihrer Nähe, süchtig nach ihrem Anblick, bis sie beide über Augenringe verfügten, die jeder Kriegsbemalung das Wa s ser hätte n reichen können.
Selbst dieser Jagdausflug mit Quanah machte ihn verrückt vor Seh n sucht, weil Naduah nicht bei ihm war. Heute, vielleicht morgen, würde sein Sohn das erste Mal einem Bären gegenüberstehen. Gut möglich, dass sie in diesem Kampf von Jägern zu Gejagten wurden. Seit gestern waren sie dem Tier auf der Spur. Der Junge würde beweisen, dass er mit den Augen des Adlers sah, mit den Ohren des Luchses hörte und die Geduld des Berglöwen besaß.
Jetzt, da der Bär nahe war, nahm er nie die Hand von seinem Messer.
„Komm Vater“, rief Quanah. „Ich habe seine Spur wiedergefunden.“
Nocona schloss zu ihm auf und schlich an seiner Seite durch das G e büsch des lichten Waldes. Sie waren weit geritten, bis hin zu ihrer alten Heimat, auf deren Hügeln noch immer die Spuren des Dorfes zu erke n nen waren. Quanahs erste Bärenjagd fand dort statt, wo auch seine b e gonnen hatte. Am Fuße des Tafelberges. Dort, wo Bienenvölker zw i schen knorrigen Eichen und Walnussbäumen summten, wo der Geruch von Salbei geradezu betäubend war und der Fluss träge wie ein müder Greis.
Doch sie stand unter keinem guten Stern. Vor zwei Tagen war sein Bogen beim Spannen zerbrochen, etwas, das nicht hätte passieren dü r fen. Es war Zuzuecas Waffe gewesen, stark, prachtvoll und fehlerlos. Brach ein solcher Bogen, konnte es nur das Zeichen einer höheren Macht sein.
„Wir sollten nach Hause reiten“, schlug er zum gefühlten tausendsten Mal vor. „Die Geister sind uns auf dieser Jagd nicht woh l ges innt .“
„Sie sind es“, protestierte Quanah. „Sie sprachen in meinen Träumen zu mir.“
„Taten sie das wirklich?“
Er hoffte, in den Augen seines Sohnes Wahrheit oder Flunkerei zu e r kennen, doch der feste, entschlossene Blick des Jungen zeigte ihm nur eines: Der absolut nicht vorhandene Wille, auf seinen Vater zu hören.
„Ja!“, beharrte er. „Sie sprachen zu mir. Im Traum brachten sie mir e i nen großen, starken Bären, und ich tötete ihn mit einem Schuss.“
Nocona musste einsehen, dass es nichts brachte, auf ihn einzureden. „Tu, was du nicht lassen kannst. Aber entkommt er uns auch morgen, musst du ihn ziehen lassen. Du misst dein Können mit seinem. Ist er zu klug, um sich von dir töten zu lassen, dann lass ihm sein Leben.“
„Er wird mir nicht entkommen.“ Verbissenheit funkelte in Quanahs Augen. „Er gehört mir, Vater. Du wirst schon sehen.“
„Aus dir spricht ein dummer Junge. Denke über das Wort Respekt nach, dann reden wir weiter.“
„Ich werde mir bald meine ersten Federn verdienen“, zischte Quanah, kampflustig wie eine Klapperschlange. „Im Zweikampf habe ich bisher jeden besiegt. Du hättest mich sehen sollen, Vater. Stolz wärst du gew e sen. Sie sagen, ich werde groß werden. Ein Kriegshäuptling wie du. Asa hatte nur Augen für mich.“
Nocona entfuhr ein Lachen. Natürlich. Asa, Kehalas Tochter, mochte erst wenige Frühlinge erlebt haben, aber ihr aufgeweckter Liebreiz ve r drehte allen den Kopf. Alte überhäuften sie mit kandierten Früchten, Jungen wie Quanah stiegen ihr nach und die Frauen seufzten entzückt, sobald sich das Mädchen blicken ließ.
„Daran zweifele ich nicht.“ Nocona bemühte sich, eine ernste Miene beizubehalten. „Aber wenn mich nicht alles täuscht, ist Asa am liebsten bei Pecan. Für dein Gebalze hat sie keine Augen, wenn er bei ihr ist.“
„Ach , Pecan“, Quanah gluckste in seine Faust hinein, „der wird bald in das Zelt der Frauenmänner gehen und Frauensachen tragen. Er ist klein, schwach und immerzu krank. Asa liebt ihn nicht, sie spielt nur gern mit ihm. Weil er wie ein Mädchen ist.“
Nocona schnalzte mit der Zunge und strafte seinen Sohn mit einem scharfen Blick. „Makamnaya war am Anfang auch klein und schwach. Sieh ihn dir jetzt an. Bei seinem Anblick verzweifeln all unsere Feinde. Vielleicht braucht Pecan nur länger, um stark zu werden. Eine Birke wächst schneller als eine Eiche.“
„Wenn, dann bin ich die Eiche.“ Quanah blieb
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