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Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit

Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit

Titel: Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauss
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Stille.
    Blut strömte über seine Hände. Er stieß die Klinge noch tiefer hi n ein , drehte sie herum und bewegte sie hin und her. Rote Schleier umhüllten den Himmel und den Wald. Der Berg aus Fell und Fleisch sank in sich z u sammen. Genauso wie in der Vision, die ihn vor wenigen Nächten heimgesucht hatte.
    In ihr hatte Nocona Gebirge gesehen, die im Fluss der Zeit wuchsen, sich emporhoben zu den Göttern und wieder in sich zusammenfielen, abgetragen von Wind und Regen. Sterbend, wie alles starb. Und sie wu r den wiedergeboren, irgendwo. Irgendwann. Die Erde stöhnte und zuckte wie eine Mutter, die ein Kind gebar. Und aus ihren Zuckungen erhoben sich neue Gebirge. Neue Ebenen, neue Ozeane.
    Ein Kreis in einem Kreis. Alles kehrte wieder in veränderter Form.
    „Vater!“ Kleine, warme Hände schüttelten ihn. „Vater! Du hast es g e schafft! Der Gott der Bären ist tot. Dein Messer hat ihm das Leben g e nommen. Sieh nur!“
    Nocona blinzelte. Er lag auf dem Boden, über ihm rauschte der Wind in den Bäumen. Blut. Überall. Der Gestank nach Tod. Seine Beine wol l ten ihn kaum tragen, als er sich aufrichtete. Zitternd stand er da, umfas s te die Schultern seines Sohnes und versuchte zu begreifen, was gesch e hen war. Neben ihm lag der Grizzly. Gewaltig selbst in seiner Niederlage.
    „Man wird dich an allen Feuern besingen.“ Quanah war außer sich vor Freude. „Niemand tötet einen Bärengott mit einem Messer. Aber du hast es geschafft. Du bist der größte aller Krieger. Der Beste aller Jäger.“
    „Der Größte, der Beste“, gab er wütend zurück. „Der beste Krieger ist der, der zuerst stirbt und seine Familie in Trauer zurücklässt. Was weißt du schon vom Tod? Freue dich niemals über ihn. Glaubst du, ein tapf e rer Krieger ist nur der, der möglichst viel tötet?“
    Quanah presste die Lippen aufeinander und blickte verwirrt drein. „Nein?“, wisperte er.
    „Nein!“ Nocona stand auf und zog das Messer aus dem Schädel des B ä ren. Nie hatte er ein gewaltigeres Tier gesehen. Was, wenn Quanah r echt hatte , und vor ihm lag tatsächlich der Gott der Bären?
    Quanahs Blicke bohrten sich in seinen Nacken, als er den Brustkorb des Grizzlys öffnete, das Herz herausnahm und die Seele des Tieres um Verzeihung bat. Nachdem er das noch warme Organ in der Erde vergr a ben hatte, machte er sich daran, den Bären gemeinsam mit Quanah aus dem Fell zu schlagen. Sie zogen, zerrten, schnitten und rissen die ganze Nacht lang. Quanah nahm einen scharfen Stein und befreite den Pelz von Fett und Fleischresten, tränkte ihn in den Saft des Bäreng e hirns und baute ein Gestell, um ihn zum Trock n en aufzuspannen. Nocona hing die begehrtesten Teile, die enthäuteten Tatzen, über das Morge n feuer und baute für den Rest des Fleisches eine Räucherhöhle aus Ästen und Laub.
    Füchse und Kojoten machten sich über die Eingeweide her, für die sie keine Verwendung hatten, und es dauerte zwei Tage, bis das gewaltige Tier zur Gänze zerwirkt und all seine Teile irgendeinem Nutzen zug e führt worden waren.
    Am dritten Tag beluden sie die Packpferde, brachen ihr Lager ab und kehrten zurück in die sonnenverbrannten Weiten der Staked Plains. Das Fell des Grizzlys hing zusammengerollt über Cetans Kruppe. Nicht viele würden ihm seine Geschichte glauben. Und manche von denen, die sie glaubten, würden zornig sein. Denn den Gott der Bären zu töten, brac h te großes Unheil mit sich.
     

     
    Quanah sah sie zuerst.
    Dreizehn Schatten über ihnen auf dem Kamm des Hügels. Im Nebel des Morgens schälten sie sich Schicht für Schicht aus dem Grau heraus.
    „Sind es Cheyenne?“, fragte der Junge. „Kiowa? Lipan?“
    Nocona zügelte Cetan. Die Müdigkeit saß ihm wie ein Fieber in den Knochen und verschleierte seine Instinkte. Je näher sie ihrem Dorf k a men, umso schlechter schlief er. Die Ungeduld trieb ihn voran. Wäre Quanah nicht gewesen, hätte er nicht eher geruht, bis die Spitzen der Zelte am Fluss auftauchten.
    Eine Weile musterte er die Schatten. So lange, bis sie nahe genug g e kommen waren, um Einzelheiten ihrer Aufmachung zu erkennen. Schlagartig war es vorbei mit seiner Müdigkeit.
    Er hoffte auf Lipan, den damals feindseligen, aber nun mit ihnen ve r bündeten Stamm. Er hoffte sogar auf Tonkawas, denn sie waren gra u sam, aber keine Krieger, die ein Nunumu zu fürchten brauchte. Die Schatten kamen wie eine zähe Flut den Hügel hinabgeritten. Nocona erkannte, dass seine Hoffnung nicht erhört worden war.

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