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Nocturna - Die Nacht der gestohlenen Schatten

Titel: Nocturna - Die Nacht der gestohlenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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Namens konnte er nicht entziffern. Er las den nächsten Namen, aber auch der schien nicht Morbus zu lauten. Und dann … ja, das konnte er sein: M-o-r-b-u-s Jonathan. Mit zitternden Fingern zog Tigwid die Akte hervor und hielt sie sich genau vor die Augen, um sich noch einmal Buchstabe für Buchstabe zu widmen. Ein M, ganz deutlich, das kannte er. M-o-r-b-u-s. Tigwid schob den Aktenschrank zu und ging mit dem Bericht zur Schreibtischlampe.
    Plötzlich hörte er etwas. Augenblicklich griff er nach der Lampenschnur und ließ das Licht erlöschen. Einige schreckliche Momente lang stand er reglos in der Dunkelheit und lauschte.
    Da - ein leises Stöhnen aus dem anderen Zimmer. Er zog sein Messer und schlich zur Tür.
    Ein unterdrücktes Schnaufen, dann Füße, die auf dem Boden aufkamen, und das Fenster, das leise gegen die Wand stieß - Tigwid rauschte das Blut in den Ohren. Es musste der Polizist sein, der ihm gefolgt war… Sein Magen verwandelte
sich zu einer heißen Faust, als er begriff, dass er die Polizei zu Mone Flamm geführt hatte.
    Jemand schlich näher, mit der Lautlosigkeit einer Elefantenkuh. Tigwid drückte sich neben der Tür gegen die Wand …
    Ein Mann betrat den Raum. Für einen Herzschlag stand er direkt neben Tigwid, dann machte er einen Schritt an ihm vorbei.
    Tigwid holte aus und trat ihm mit voller Kraft gegen das Schienbein.
    »Aauh!« Der Mann stürzte zu Boden. Tigwid packte einen Briefbeschwerer, der neben der Schreibtischlampe lag, und schlug ihn dem Mann gegen den Kopf. Der Kopf gab ein dumpfes Plock von sich, der Mann ein merkwürdiges Grunzen. Dann zerrte Tigwid ihn am Kragen zurück und legte das Messer an seinen Hals.
    »Ganz still!«
    Der Mann stöhnte kläglich. Tigwid sammelte seinen Mut und versuchte, so erwachsen und gefährlich wie möglich zu klingen. »Ich vermute, du bist ein kleiner Schnüffler von der Polizei. Kannst du lesen?«
    Der Mann hielt inne. »Was?«
    Tigwid drückte ihm die Klinge an die Haut. Manchmal war es am eindrucksvollsten, gar nichts zu sagen.
    »Ähem. Ja. Kann ich«, krächzte der Mann.
    »Schön.« Tigwid zerrte ihn auf die Beine, ohne das Messer wegzunehmen. Dann drängte er ihn zur Lampe und knipste sie an. Der Mann blinzelte.
    »Hier. Lies das vor.« Tigwid schlug die Akte auf.
    Bassars schnaufendes Atmen beruhigte sich. »Du hast keine Chance mehr«, sagte er gedämpft. »Meine Kollegen folgen mir mit Spürhunden. Sie sind spätestens in drei Minuten hier.«
    Tigwid fühlte sich von den Kniekehlen bis in den Nacken wie elektrisiert. Aber er bezwang seine Panik. »Lies vor, los!«

    Bassar nahm die Akte in Augenschein. Dann las er stockend vor, die Messerklinge noch immer am Hals. »MORBUS, JONATHAN. Siehe auch Verbindung zu: Außerpolizeiliche Aufklärungsarbeit an den Umständen des Feuers in Buchhandel Spiegelgold am 3. August. Auftraggeber: Elias Spiegelgold. Aushändigung der Berichterstattung an den Auftraggeber: 10. November. Berichtkopie: siehe SPIEGELGOLD, ELIAS .«
    Bassar machte eine Pause und auch Tigwid hielt erschrocken inne. Den Bericht hatte er am zehnten November an Elias Spiegelgold überbracht! Was hatte der Bericht mit Morbus zu tun?
    Bassar las weiter: »Detektei und Transportservice angefordert von Auftraggeber: Jonathan Morbus. Aushändigung des gewünschten Objekts samt Ermittlungsbescheid: 5. August.
    Berichtkopie: Das Objekt ist rechtmäßiger Besitz des genannten Auftraggebers. Es handelt sich um die Wiederbeschaffung eines entwendeten Objekts. Das Objekt befand sich zum Zeitpunkt der Auffindung im Besitz von A. Spiegelgold, Buchhändler in der Buchhandlung Spiegelgold, Königsdomer Platz 33. Das Objekt ist ein Buch. Kein Schaden am Objekt entstanden. Das Objekt wird dem rechtmäßigen Besitzer und Auftraggeber hiermit zurückgeliefert. Zeugen dieser Transaktion, die keine unmittelbaren Angestellten von M. F. Privatdetektei oder Heirachs Nationallieferungen sind, existieren nicht. DIESER BERICHT IST DEN REGIONALEN UND NATIONALEN BEHÖRDEN NICHT BEKANNT .«
    Bassar starrte das Papier an. Er hatte nicht einmal registriert, dass die Klinge an seinem Hals verschwunden war. Erst als Tigwid sich regte, schluckte auch Bassar und merkte, wie trocken sein Mund geworden war.
    »Ist das alles, was da steht?«
    Bassar murmelte »Ja« und überflog den Bericht noch einmal.
Das Objekt ist ein Buch. Ein Buch … Es war dem Bericht zufolge genau einen Tag nach dem Brand aus der Buchhandlung Spiegelgold geholt worden. Aber wie - wie war das

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