Nocturne City 01 - Schattenwoelfe
unterhaltsamen Abend an, in das Revier eines rivalisierenden Rudels zu marschieren. Können wir uns nicht an einem öffentlichen Ort treffen?“, fragte ich Dmitri.
„Rivalisierend? Sie nehmen sich wohl ziemlich ernst, was, Detective?“, sagte Olya ohne einen Funken Humor. „Sie stellen keinerlei Bedrohung für die Redbacks dar. Die Wachen in unserem Quartier würden weiterschlafen, wenn sie Sie wittern.“
„Kommen sich Ihre monströse Arroganz und ihr riesengroßes Mundwerk eigentlich öfter derartig in die Quere, oder gibt es da normalerweise eine Regelung, wann wer von den beiden bellen darf?“, fauchte ich zurück.
„Streitsüchtig auch noch“, meinte Olya. „Kein Wunder, dass der, der Sie gebissen hat, Sie nicht behalten wollte.“
„Olya, genug jetzt“, sagte Dmitri, ohne die Stimme zu heben. Seine Schwester war jetzt zwar ruhig, aber ich hatte immer noch eine ungeheure Lust, ihr mit einem kräftigen Schlag das Feixen aus dem Gesicht zu treiben.
„Morgen Abend“, sagte Sandovsky. „Bei Einbruch der Dunkelheit.“ Er rümpfte noch einmal kurz die Nase und warf dann seinen Kopf in Richtung seiner Schwester. „Komm, Schwesterchen. Du hast heute früher Schichtende.“ Die beiden verließen den Club durch die Tür zum Hinterzimmer.
Kyle schwang sich wieder auf ihre Seite der Bar und verstaute den Baseballschläger. „Sony, war nicht so gemeint. Es ist alles nur wegen Amanda Carlisle, der Inhaberin, verstehen Sie? Sie erlaubt den Mitgliedern des Rudels hierherzukommen, wenn es ihnen nicht gut geht. Vor einiger Zeit hat sie Olya sogar einen Job gegeben.“
„Und Sie haben überhaupt keine Probleme damit?“, fragte ich Kyle.
Sie zuckte mit den Schultern. „Ich bin zwar ein Mensch, aber ich habe nichts gegen Leute mit dem Blut. Außerdem hab ich selbst miterlebt, was Dmitri für uns getan hat. Vor den Briefen und dem Vandalismus gab es zwei College-Kids von der Nocturne University, die ständig hier vorbeikamen und die Leute belästigt haben. Eines Nachts haben sie Ms Carlisle auf dem Mitarbeiterparkplatz aus ihrem Mercedes gezogen und ihr die Klamotten vom Leib gerissen. Da kam Sandovsky dazu … Diese College-Bürschchen machten sich beim Anblick seiner Reißzähne sofort in die Hose. Sie wussten zwar nicht, was sie da eigentlich sahen, aber es hat sie zu Tode erschreckt.“
„Wie großmütig von Mr Sandovsky, was?“, brummte ich mit einem ironischen Unterton.
„Er ist kein ehrenhafter Ritter in einer glänzenden Rüstung oder so was Ähnliches“, sagte Kyle. „Aber er ist in Ordnung. Und glauben Sie mir, er ist kein Mörder.“
„Ich weiß“, erwiderte ich. „Aber irgendwas ist mit ihm. Also sagen Sie mir bitte nicht, was ich glauben soll und was nicht.“
Als ich nach Hause kam, lag über dem Ozean bereits das rosafarbene Licht des kommenden Tages, und die zunehmende Mondsichel schien nur noch eine blasse Geistergestalt vor dem bläulichen Himmel. Ich fiel sofort ins Bett und wachte zu einer -wie es mir schien – unchristlichen Stunde am frühen Abend auf. Sunny hatte mich an der Schulter gepackt und unsanft wach gerüttelt.
„Luna!“, rief sie. „Ich hab vielleicht was gefunden!“ Ihr Gesicht war blass, und sie hatte dunkle Schatten unter den Augen.
„Wie lange hast du nicht mehr geschlafen, Sunny?“
Mit einem Achselzucken antwortete sie: „Hab die Nacht durchgemacht. Ist aber nicht der Rede wert angesichts meiner Entdeckung. Schau dir das hier mal an!“ Sie reichte mir ein Buch mit blauem Ledereinband, das ich sofort als eines der alten Zauberspruchbücher unserer Großmutter erkannte. Casterhexen wussten ihre Sprüche größtenteils auswendig. Normalerweise verinnerlichten sie den Inhalt ihrer kleinen Spruchbücher und verbrannten sie dann.
„Sunny, wie bist du da rangekommen?“, wollte ich wissen.
Sie biss sich auf die Unterlippe. „Das willst du lieber nicht wissen, glaub ich.“
„Verdammt richtig, ich will s nicht wissen. Du wirst es mir aber trotzdem erzählen.“
Sunny seufzte und nestelte an der Quaste, die am Buchrücken hing. „Ich habs … na ja … mir ausgeliehen. Das letzte Mal, als ich bei Großmutter war.“
Mit mehr Schwung als notwendig drückte ich Sunny das Buch wieder in die Hände.
„Wie oft habt ihr beiden Kreiskritzler euch denn hinter meinem Rücken getroffen?“
Sunny biss nicht an, sondern wich gekonnt meiner Frage aus. „Du bist doch diejenige, die ihrer gesamten Familie mütterlicherseits den Krieg erklärt hat. Ich habe
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