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Nocturne City 02 - Blutfehde

Nocturne City 02 - Blutfehde

Titel: Nocturne City 02 - Blutfehde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caitlin Kittredge
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begann.
    „Tatsächlich? Das ist ja schrecklich“, antwortete sie wenig überzeugend.
    „Das Schrecklichste daran ist, dass du wahrscheinlich weißt, wo sie ist.“
    Shelby seufzte. „Das hatten wir doch alles schon, Luna! Ich kann dir nicht helfen.“ Ihre ruhige Stimme brachte mich aus der Fassung. Sie klang so emotionslos, als würde sie gerade einen lästigen Bettler verscheuchen wollen. Den ganzen Tag über hatten meine angespannten Nerven schon nach einem Ventil gesucht, und jetzt konnte und wollte ich mich nicht mehr zusammenreißen. Ich griff nach dem erstbesten Gegenstand -einer relativ teuer wirkenden Terracotta-Vase – und schleuderte ihn mit aller Kraft gegen die Wand.
    „Verdammt noch mal, Shelby, erzähl mir nicht, dass du mir nicht helfen kannst!“, wetterte ich los. „Und versuch erst gar nicht, wieder die Ahnungslose zu spielen. Das kaufe ich dir nämlich langsam nicht mehr ab!“
    Mit einer beinahe zeitlupenhaften Bewegung zog sie die rechte Hand unter der Kaschmirdecke hervor und richtete den Lauf einer Pistole auf mich. Es war eine 38er Smith & Wesson Special – wegen ihrer Durchschlagskraft und des kurzen Laufs besonders beliebt bei Polizisten.
    „Ich denke, es ist besser, wenn du jetzt gehst!“, forderte mich Shelby auf.
    „Du würdest mich wirklich erschießen?“, fragte ich ungläubig.
    „Du hättest keine Skrupel, deine Partnerin kaltblütig nieder zustrecken, um deine Familie zu schützen?“
    Shelby schüttelte verzweifelt den Kopf, hielt die Mündung der Pistole aber weiterhin entschlossen auf meinen Oberkörper gerichtet. „Du verstehst das nicht, Luna. Du wirst es wahrscheinlich niemals verstehen können. Für meine Familie würde ich aus dem Fenster springen, und wenn es sein muss, würde ich auch für sie töten. Ich habe keine andere Wahl, als das zu tun, was mein Onkel verlangt, denn wer sich nicht an seine Regeln hält, ist so gut wie tot.“
    Ich musste schlucken, weil mir eine Mischung aus Angst und Selbsterhaltungstrieb die Kehle zuzuschnüren drohte. In meinem Kopf rechnete ich mir die Chancen für eine gewaltfreie Beendigung der Situation aus: Selbst wenn ich Shelby daran hindern könnte, auf mich zu schießen, würde ich sie auf keinen Fall davon abhalten können, die Waffe gegen sich selbst zu richten.
    „Du selbst hast mir mal erzählt, dass dich unausgeglichene Machtverhältnisse nerven, und jetzt betest du diesen Mist von Loyalität und Familienehre herunter. Dabei hast du dich doch genau aus diesem Grund gegen deine Familie und für eine Karriere beim NCPD entschieden. Als wir Patrick getroffen haben, konnte ich die Abscheu in deinen Augen sehen, Shelby! Du hasst sie genauso sehr wie Victor Blackburn.“
    Shelbys Unterlippe bebte, und ein feuchter Glanz legte sich über ihre Augen. Recht so, dachte ich. Wenn sie weinte, würde ich ihr leichter die Waffe abnehmen können.
    „Zwing mich nicht, dich zu erschießen, Luna“, flüsterte Shelby mit zittriger Stimme.
    „Ich kann nicht glauben, dass du das tun würdest“, erwiderte ich. „Du musst jetzt wie eine Polizistin handeln, Shelby, und darfst dich nicht von deinen Gefühlen oder deiner Familie vereinnahmen lassen. Valerie Blackburn ist erst fünfzehn! Sie ist ein unschuldiges Opfer, und du weißt, dass man sie töten wird, wenn ich nichts unternehme.“ Weil ich glaubte, Shelby mit meinen Worten etwas beruhigt zu haben, riskierte ich einen Schritt nach vorn. Sofort richtete sie den Lauf der 38er auf meinen Kopf, sodass ich einmal mehr den Tag verfluchte, an dem ich sie kennengelernt hatte. Warum stehe eigentlich immer ich auf der falschen Seite der Kanone?, schoss es mir durch den Kopf. Weil du ein Adrenalinjunkie bist …, antwortete mein treuloses Unterbewusstsein mit den Worten von Doktor Merriman, … erst zufrieden, wenn alles um dich herum in Flammen aufgeht.
    „Wenn ich dir helfe, werden sie es sofort erfahren“, schnaubte Shelby verzweifelt.
    „Und wenn schon, was hast du denn noch zu verlieren? Vertrau mir, Shelby! Wenn deine Familie dich bisher nicht als ihresgleichen behandelt hat, wirst du dir ihre Anerkennung jetzt auch nicht mehr erkämpfen können – egal, wie loyal du dich verhältst.“ Die Worte kamen direkt aus meinem Herzen, denn auch ich hatte in der Vergangenheit verbissen um die Liebe und die Anerkennung meiner Familie gekämpft. Die verhängnisvolle Nacht am Strand und meine Verwandlung in eine Werwölfin hatten den Bruch zwischen mir, meinen Eltern und meiner Großmutter

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