Nocturne City 02 - Blutfehde
hätte ihn zu Hackfleisch verarbeitet. Dmitri schüttelte den Kopf, und der Ansatz eines Grinsens umspielte seinen Mund. „Immer noch der gleiche knallharte Lady-Cop, was? Ich hab s fast vermisst.“
Im ersten Moment hatte mich ein tiefer Schock geradezu gelähmt, aber schon nach einigen Augenblicken packte mich die blanke Wut. Ohne lang nachzudenken, verpasste ich Dmitri kurzerhand einen knackigen rechten Haken, denn eine mädchenhafte Ohrfeige wäre weder mein Stil noch der Situation angemessen gewesen. Dmitri wankte kurz und hielt sich dann mit der linken Hand den schmerzenden Unterkiefer.
„Verdammt, Luna! Was zum Teufel ist dein Problem?“
„Du!“, schrie ich ihn erbittert an. „Du bist das Problem! Wie lange treibst du dich schon wieder in Nocturne herum, ohne dass ich ein Wort von dir gehört habe?“
Noch bevor Dmitri antworten konnte, brach plötzlich die Club-Musik ab, und die Leuchtstoffröhren an der Decke tauchten den Club in ein gleißend helles Licht. Durch die Eingangstür strömten Polizeibeamte in Kampfausrüstung, und aus dem Hintergrund brüllte jemand mit einem Megafon, dass es sich um eine Razzia handelte.
Ich war ungemein erleichtert, dass Shelby zur Abwechslung mal das Richtige unternommen hatte. Allerdings wurde meine kurzzeitige Freude gleich wieder dadurch getrübt, dass Dmitri klammheimlich versuchte, sich davonzuschleichen. Entschlossen hielt ich ihn am Ellbogen fest. „Du denkst doch wohl nicht, dass wir hier schon fertig sind, oder?“
Seine Mundwinkel verzogen sich nach unten, als er sich zu mir umdrehte. „Willst du diese Unterhaltung wirklich in einem Sexclub führen, Luna?“
Punkt für ihn. Das, was ich in den vergangenen zwei Stunden vom Bete Noire gesehen hatte, würde mir für das nächste Dutzend Leben reichen, sodass ich eigentlich keine weitere Minute mehr in diesem Drecksloch verbringen wollte. Rasch zog ich meine Stilettos an und führte Dmitri die Stufen hinunter in den Flur neben den Toiletten, wo meine Kollegen die Gäste zusammentrieben. Im Vorbeigehen sah ich, wie ein Beamter gerade Samael ein paar Handschellen anlegte. Als ich ihm einen hämischen Blick zuwarf, grinste er mich nur verächtlich an.
Kaum war ich bei den Toiletten stehen geblieben, zog Dmitri seinen Arm weg. „Eigentlich hatte ich eine etwas herzlichere Begrüßung von dir erwartet, Luna. Stattdessen schiebst du mich wie einen Schwerverbrecher durch die Gegend.“
„Was du nicht sagst!“, blaffte ich ihn an. „Du meldest dich monatelang nicht, und jetzt erwartest du eine herzliche Begrüßung? Wie lange bist du schon wieder in Nocturne? Und lüg mich bloß nicht an!“, fügte ich vor Wut schnaubend hinzu.
„Keine Angst, ich lüg dich nicht an. Hab schließlich keine Lust, noch einen Haken zu kassieren“, brummte Dmitri. „Ich bin erst gestern Nacht wiedergekommen.“
„Na sicher doch! Und natürlich fällt dir nichts Besseres ein, als es dir in einer Fetischbar bequem zu machen, was? Ich frag mich, warum ich da nicht selbst draufgekommen bin?“
„Verdammt, Luna, kannst du nicht einfach mal die Klappe halten und mich erklären lassen?“, presste Dmitri zähneknirschend hervor, während seine smaragdgrünen Augen kurz in der goldenen Farbe des Wolfes aufloderten. Ein beklemmendes Gefühl in der Magengegend erinnerte mich daran, dass er sich dank der Magie seines Rudels zu jeder beliebigen Zeit verwandeln konnte.
„Na los, dann erklärs mir! Und sag mir ja nicht noch einmal, dass ich die Klappe halten soll!“
„Der Flug von St. Petersburg hat fünfzehn Stunden gedauert, und ich brauchte einfach etwas Ruhe. Deshalb habe ich mich nicht gemeldet. In den Club bin ich nur gekommen, weil ich den Krach von oben gehört habe. Die Apartments über dem Secondhandladen dienen den Redbacks als Unterschlupf. Entschuldige also vielmals, dass ich nicht gleich Bericht erstattet habe, Frau Oberfeldwebel Wilder!“
Durch seinen dreimonatigen Aufenthalt in der Ukraine trat sein osteuropäischer Akzent nun deutlicher hervor. Die vielen rollenden Rs und die weichen Konsonanten sorgten dafür, dass seine Stimme etwas von ihrem rauen Charme eingebüßt hatte, und obwohl es anfänglich gewöhnungsbedürftig war, gefiel mir sein neuer Akzent gar nicht so schlecht.
„Hättest du mich denn angerufen?“, fragte ich und stampfte mit meinen saubergeleckten Stilettos auf den dreckigen Linoleumboden.
Dmitri strich kurz mit seinen Fingerspitzen über mein Gesicht. „Natürlich hätte ich das
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