Nocturne City 02 - Blutfehde
war.
„Bei den Allmächtigen, Yelena!“, schrie Dmitri sie an und ging vor mir in die Knie, um mir beim Aufstehen zu helfen. Mit einem angewiderten Brüllen stieß ich ihn von mir weg. Die Hände, die Irina während der letzten drei Monate liebkost hatten, wollte und konnte ich nicht an meinem Körper dulden.
„Sie wäre gut damit beraten, richtigen Werwölfen gegenüber etwas mehr Respekt zu zeigen!“, fauchte Yelena, deren Gesicht sich innerhalb von Sekundenbruchteilen gewandelt hatte. Mit
ihren spitzen Reißzähnen und den großen gelben Augen sah sie plötzlich furchterregender aus als die Hexe Baba Jaga.
„Könnten jetzt alle mal mit diesem verdammten Insoli-Mist aufhören?“, schrie ich. „Und du, Dmitri, erzählst mir jetzt gefälligst, was hier los ist, oder es passiert was!“
„Sergej und Yelena sind zwei von den Rudelältesten der Redbacks“, erklärte Dmitri. „Sie haben mich nach Nocturne City zurückgebracht.“
In mir brach ein Vulkan der Wut aus, denn seine Worte bedeuteten nichts anderes, als dass er nicht aus eigenen Stücken nach Nocturne gekommen war – und schon gar nicht meinetwegen. Irina sah mich schelmisch grinsend an und streichelte Dmitris Arm. Ich knurrte sie zwar reflexartig an, aber innerlich fühlte ich mich zerbrochen und geschlagen. Warum war er überhaupt zurückgekommen, nun da er Irina und die Rudelältesten in der Ukraine gefunden hatte?
„Sie haben ernsthafte Probleme, junge Frau“, sprach mich der kleine Mann mit der bräunlich-walnussartigen Hautfarbe und den schwarzen Haaren an. „Dmitri, zeig es ihr.“
Dmitri rollte seinen rechten Hemdsärmel hoch, und noch bevor er die halbmondförmige schwarze Narbe freigelegt hatte, dämmerte mir, weswegen er wirklich zurückgekommen war.
Der Biss war verheilt. Narbengewebe, das aussah wie Lavaglas, bedeckte die einst fleischige Wunde, die ein besessener Werwolf vor drei Monaten in seinen Arm gerissen hatte. Die geriffelten Kanten des Halbmonds zeichneten sich sehr klar und scharf auf seiner Haut ab. Man hätte fast denken können, es würde sich eher um ein Tattoo als um die Erinnerung an einen schmerzhaften Biss handeln.
„Eigentlich hätte die Bisswunde verschwinden müssen“, erklärte Dmitri. „Aber sie ist noch immer sichtbar, und selbst die Ältesten wissen nicht, warum.“
„Tut mir leid“, flüsterte ich. „Hast du Schmerzen?“
„Die meiste Zeit nicht“, antwortete Dmitri mit einem unbehaglichen Gesichtsausdruck. „Aber es … es hat Auswirkungen … negative Auswirkungen.“ Er schaute zu Sergej und Yelena und schluckte das, was er gerade hatte sagen wollen, hinunter. Einmal mehr wünschte ich die Gesetze der Werwolfrudel und diese verdammte Geheimniskrämerei zur Hölle.
„So lange Dmitri infiziert ist, stellt er eine Gefahr für uns alle dar“, warf Yelena ein. „Wir wissen nicht, wozu er alles imstande ist. Vorerst haben wir ihm den Status des Rudelführers aberkannt. Nach unserem Besuch wird er mit uns in unser Hauptquartier nach Kiew zurückkehren, bis wir eine Lösung gefunden haben.“
„Warum bist du dann überhaupt erst zurückgekommen?“, fragte ich Dmitri erschöpft.
„Er hat sich einverstanden erklärt, uns zu Ihnen zu führen … um die Strafe zu vollstrecken“, erwiderte Sergej.
Mein Kopf schnellte in die Höhe. „Welche Strafe?“
Sergej und Yelena tauschten bedeutungsschwere Blicke aus, verloren aber keinen Ton. „Welche Strafe?“, wiederholte ich etwas lauter und starrte Dmitri an, der meinem Blick auszuweichen versuchte.
„Du bist eine Insoli und hast ein hochrangiges Mitglied unseres Rudels verführt“, geiferte Irina und rümpfte voller Verachtung die Nase. „Im Grunde bist du doch nichts weiter als eine armselige Hure. Dachtest du wirklich, dass du ungestraft davonkommen würdest?“
Ich mochte zwar eine Insoli sein, aber das bedeutete nicht automatisch, dass ich mir alles gefallen lassen musste – schon gar nicht von einer überschminkten ukrainischen Importbraut, die nach dem Mann lechzte, den ich für meinen Partner gehalten hatte. Wütend stürzte ich auf Irina zu, die sich mit einem quiekenden Geräusch hinter Dmitri versteckte, sodass mein Faustschlag an seinem Brustkorb abprallte. „Mach den Weg frei!“, keuchte ich. „Wenn sie etwas zu sagen hat, dann soll sie es mir direkt ins Gesicht sagen!“
„Das hab ich doch schon getan“, spottete Irina aus ihrem Versteck. „Du elende Insoli-Schlampe!“
Ich holte zu einem weiteren Schlag aus,
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