Nocturne City 02 - Blutfehde
getan. Ich musste mich nur erst mal in Sicherheit bringen und etwas Zeit für mich haben.“ Mit einem Stirnrunzeln schüttelte er den Kopf. „Was hattest du hier überhaupt verloren, Luna? Dieser Schuppen ist sogar für dich ziemlich starker Tobak.“
„Hab gearbeitet“, antwortete ich kurz. „Dass ich dabei gleich zweimal vermöbelt werde, stand eigentlich nicht auf dem Plan …“
Er feixte. „Ich hab ja nur das Ende mitbekommen, aber ich hin mir ziemlich sicher, dass die beiden sich morgen noch die Wunden lecken werden. Und wenn sie ihrem Rudelführer dann erklären müssen, wer sie so zusammengefaltet hat, wird der Ihnen wahrscheinlich den Kopf abreißen.“
Mein Gesicht war zwar schon wieder so gut wie verheilt, aber die Schrammen und blauen Flecke, die ich mir zugezogen hatte, würden nicht so schnell verschwinden. Auch der stechende Schmerz beim Luftholen würde mir sicherlich noch eine Weile erhalten bleiben. Besorgt runzelte Dmitri die Stirn. „Alles in Ordnung bei dir?“
„Alles okay“, antwortete ich schnell. „Hör mal, gibt es hier vielleicht irgendwo einen Ort, an dem wir uns unterhalten können?“ Einen Ort, an dem ich dir die fünf Millionen Fragen stellen kann, die sich seit deinem Verschwinden in meinem Hirn angesammelt haben? Einen Ort, an dem ich meiner Wut freien Lauf lassen kann, wenn mir deine Antworten nicht gefallen?
„Komm“, sagte Dmitri, öffnete den Notausgang hinter uns und führte mich hinaus in eine kleine Gasse auf der Rückseite des Clubs. Nachdem die Tür hinter uns ins Schloss gefallen war, kramte er eine Nelkenzigarette aus seiner Jackentasche. Während er sie anzündete, fiel mir auf, dass er in seinem recht unspektakulären Outfit aus Jeansjacke, wärmendem Karohemd und schwarzem T-Shirt ganz anders wirkte als der Dmitri, den ich in der abgewetzten Lederjacke mit dem aufgestickten Symbol der Redbacks kennengelernt hatte.
„Hex noch mal!“, rief ich vor Kälte schlotternd.
„Was?“, fragte Dmitri mitten im Zug.
„Diese Mistkäfer haben mir die Jacke geklaut, als ich ohnmächtig war!“, erklärte ich und verschränkte meine nackten Arme vor dem Oberkörper. Dummerweise war ausgerechnet diese Jacke meine absolute Lieblingsjacke gewesen. Vor ein paar Jahren hatte ich sie von einem Exfreund, der Ted oder Jed oder so ähnlich hieß, mitgenommen, als ich während eines heftigen Streits hinaus in den Regen gestürmt und nie wieder zu ihm zurückgekehrt war. Sie hatte mir ohnehin besser gestanden als ihm.
Dmitri hängte mir seine Jeansjacke um die Schultern, als er bemerkte, dass meine Zähne klapperten. „Hier, nimm … sosehr es mir auch um die herrliche Aussicht leidtut“, sagte er mit einer Kopfbewegung in Richtung meines schwarzen Oberteils.
„Immer noch das gleiche hormongesteuerte Alpha-Männchen, was?“
Ein Grinsen umspielte die Zigarette zwischen seinen Lippen. „Das wird sich wohl nicht abstellen lassen, fürchte ich.“
„Warum hast du mich nicht mal angerufen … oder mir geschrieben?“, fragte ich mit leiser Stimme, und ohne es wirklich zu wollen, fügte ich hinzu: „Ich bin fast verrückt geworden vor Angst, dass dir etwas zugestoßen sein könnte.“ Anscheinend brachte Dmitris wortkarge Art mich irgendwie dazu, mehr zu plappern als üblich.
„Ich habe dir in der E-Mail doch geschrieben, dass ich mich nicht melden kann“, antwortete Dmitri und schnipste den Zigarettenstummel in eine Pfütze. „Die Dinge haben sich verkompliziert, Luna.“
„Dann erklär sie mir halt, verdammt noch mal!“, fauchte ich. „Du könntest wenigstens versuchen, dir eine gute Ausrede auszudenken, warum du davongelaufen bist und nicht mehr mit mir geredet hast!“
„Ich rede doch jetzt mit dir, oder etwa nicht?“, erwiderte er mit einer Ruhe, die mich nur noch wütender machte.
„Du weißt ganz genau, dass ich was anderes meine“, murmelte ich. „Ich dachte, ich könnte dir vertrauen.“
Dmitri rückte näher an mich heran und hob behutsam mein Kinn an, sodass sich unsere Blicke trafen. „Du kannst mir vertrauen“, flüsterte er. „Du wirst mir immer vertrauen können.
Aber ich … ich kann die Zeit nicht zurückdrehen. Die Dinge haben sich geändert, Luna. Du musst versuchen, das zu akzeptieren.“
Seine Nähe war zu viel für mich. Zögerlich stellte ich mich auf die Zehenspitzen, damit sich unsere Lippen treffen konnten. Alles um mich herum schien zu verschwimmen. Zum ersten Mal seit Dmitris Verschwinden hatte ich wieder das Gefühl,
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