Nocturne City 02 - Blutfehde
brennenden Schmerzen breite Furchen in die Haut. Offensichtlich hatte sich mein Widersacher an dem Utensilientisch bedient.
Als mir das Blut in die Augen lief und mir langsam die Sicht zu nehmen drohte, begann ich vor Zorn und Schmerz zu toben und blindlings um mich zu schlagen. Das zweite Männchen nutzte die Situation sofort aus und trat mir in den Rücken, sodass ich mit einem Schrei zu Boden ging.
Nein, nein, nein! Obwohl es sinnlos war, versuchte etwas in mir, mich davon zu überzeugen, dass das, was gerade ablief, unmöglich wahr sein konnte. Meine Augen waren mittlerweile so vom Blut verklebt, dass ich nicht einmal mehr sehen konnte, wer von den beiden mir den heftigen Schlag ins Gesicht verpasste, der meine Lippe aufplatzen ließ. Verbittert schluckte ich mein eigenes Blut hinunter und ließ meine Faust auf gut Glück nach oben schnellen, da ich nur noch ahnen konnte, wo sich meine Gegner befanden. Als sich daraufhin meine Klauen durch warmes Fleisch arbeiteten und der Getroffene wie am Spieß zu schreien begann, fühlte ich trotz meiner aussichtslosen Lage so etwas wie Genugtuung in mir aufsteigen. Mit dem Mut der Verzweiflung versuchte ich, mich weiter zu wehren, während sich mein Hirn an einen einzigen Gedanken klammerte: Nicht aufhören, niemals aufgeben!
Ein paar Augenblicke später wurde ich von vier starken Händen überwältigt und zu Boden gepresst, sodass von meiner Gegenwehr nicht viel mehr als ein kraftloses Zucken übrig blieb. In diesem Moment wünschte ich mir nichts sehnlicher, als einfach in Ohnmacht zu fallen, um nicht erleben zu müssen, was sie mir antun würden. Dummerweise war mein Überlebenswille anderer Meinung und zwang meinen Körper förmlich dazu, wach zu bleiben und die blutverklebten Augen offen zu halten.
Ganz unerwartet ließen mich plötzlich zwei der Hände los, und ich hörte, wie jemand schreiend gegen die Käfigwand geschleudert wurde. Das andere Werwolfmännchen krabbelte daraufhin auf allen vieren von mir weg und quiekte mit panischer Stimme: „Hey … hey, Mann … was zum Teufel machst du da?“, bis das dumpfe Geräusch eines Faustschlags seinem Gekreisch ein Ende setzte.
Ich richtete meinen Oberkörper auf und schaffte es nach einigen Augenblicken, mich hinzuknien. Mit dem Unterarm wischte Ich mir das Blut aus dem Gesicht. Am liebsten hätte ich mich zu einer Kugel zusammengerollt, um meine Wunden zu lecken, doch die Neugier zwang mich dazu, aufzustehen und herauszufinden, was passiert war. Als ich schließlich die Augen öffnete, sah ich eine große männliche Gestalt vor mir, die den Schädel des zweiten Werwolfmännchens in gleichmäßigem Rhythmus gegen den Maschendraht des Käfigs rammte, wodurch sich das Gesicht meines Peinigers mit jeder Sekunde mehr in eine unansehnliche breiige Fleischmasse verwandelte.
„Hey“, würgte ich hervor, aber das Toben der Menge, die jetzt genauso euphorisch den Fremden anfeuerte, wie sie es vorher bei meinen Fast-Vergewaltigern getan hatte, übertönte meine Worte. „Hey!“, schrie ich noch einmal, woraufhin der Fremde von seinem Opfer abließ und sich zu mir umdrehte.
„Was ist los, Süße? Jetzt beschwer dich bloß nicht, dass ich dir wieder mal den Arsch rette!“
Von tausend Gedanken überwältigt, taumelte ich benommen gegen die Seitenwand des Käfigs. Diese Stimme … völlig unmöglich … er ist doch am anderen Ende der Welt!, hämmerte es in meinem Kopf. Die einzig logische Erklärung bestand für mich darin, dass ich bereits tot war und gerade eine schreckliche Halluzination auf meinem Trip zur Hölle durchlebte.
„Dmitri?“
„Live und in Farbe, Baby!“, antwortete er und hielt dabei das halb tote Werwolfmännchen mit einer Hand aufrecht, um ihm mit der anderen weitere Schläge in die Magengrube zu verpassen. Als er seinen lebenden Punchingball dann endlich losließ, fiel der wie ein nasser Sack Kartoffeln zu Boden und krümmte sich vor Schmerz. „Hast du jetzt genug, du flohverseuchtes Stück Scheiße ?“ schrie Dmitri ihn an und trat mit angewidertem Blick zurück.
Panisch rasten die Augen des anderen Werwolfmännchens zwischen Dmitri und mir hin und her, während es sich seine Überlebenschancen auszurechnen schien. „Mach, dass du verschwindest, und bete, dass ich nicht auf die Idee komme, nach dir zu suchen!“, knurrte ich, und der fremde Werwolf hastete davon. Wahrscheinlich ahnte er gar nicht, wie glücklich er sich schätzen konnte – eine Sekunde länger in meiner Nähe, und ich
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