Nocturne City 02 - Blutfehde
aber Dmitri packte mich an den Schultern und schüttelte mich so heftig durch, dass meine Zähne aufeinanderschlugen. „Hör auf damit, Luna!“
„Temperamentvoll“, sagte Yelena zu Sergej, der ihr mit einem Grunzen zustimmte.
„Es tut mir leid, dass es so gekommen ist“, sagte Dmitri. „Aber das ist eine Angelegenheit des Rudels, und ich bin nun mal an die Gesetze der Redbacks gebunden. Die Ältesten haben bereits entschieden, was zu tun ist.“
Dem Plan der alten Käuze zu lauschen, rief in etwa so viel Vorfreude in mir hervor wie ein Besuch beim Zahnarzt, aber allem Anschein nach hatte ich keine andere Wahl, als ihn mir anzuhören.
„Sie sind nicht willkommen im Haus unseres Rudels!“, begann Yelena mit einer wenig überraschenden Ansage. „Wir haben eine neue, eine passende Partnerin für Dmitri ausgesucht, und wenn Sie versuchen sollten, noch einmal Kontakt zu ihm aufzunehmen, dann wird Ihnen nicht mal mehr der allmächtige Herrgott im Himmel helfen können! Nur Dmitris Fürsprache haben Sie es zu verdanken, dass wir nicht wie geplant Jagd auf Sie machen. Und jetzt verschwinden Sie, und halten Sie sich in Zukunft von den Redbacks fern, oder es wird Sie das Leben kosten.“
Mein gesamter Körper begann zu zittern. „Das ist unmöglich!“, stieß ich mit bebender Stimme hervor. „Wir leben doch nicht mehr im Mittelalter!“
„So sind unsere Gesetze. Gehen Sie lieber, oder Sie werden den Morgen nicht mehr erleben“, erwiderte Sergej. Dann nahm er Yelenas Arm und sagte zu ihr: „Komm, Liebling, wir gehen, sonst holst du dir noch eine Erkältung.“ Gemächlich schlenderten die beiden die Gasse hinunter und verschwanden hinter einer Tür. Fassungslos wandte ich mich an Dmitri. „Das kannst du nicht zulassen!“
Er senkte den Blick, während Irina noch immer grinsend seine Hand hielt. „Wenn ich mich gegen die Gesetze des Rudels auflehne und mich ihrer Gerechtigkeit in den Weg stelle, erwartet mich eine noch härtere Strafe, Luna.“
„Das nennst du Gerechtigkeit? Weißt du, wie ich das nenne? Feigheit! Du bist nichts weiter als ein gottverdammter Feigling!“, fuhr ich ihn an. Dann drehte ich ihm absichtlich den Rücken zu, obwohl – oder gerade weil – ich wusste, dass ich damit seine Dominanz als Werwolfmännchen mit Füßen trat. Die Konsequenzen waren mir egal, denn in mir war alles taub. Außer einer alles verschlingenden Leere und dem trostlosen Asphalt unter meinen Füßen fühlte ich nichts mehr.
„Luna …“
Ohne mich umzudrehen, blieb ich stehen.
„… bitte, hasse mich jetzt nicht!“
„Zu spät“, flüsterte ich und ließ die beiden hinter mir zurück.
12
Ich saß auf der Kühlerhaube des Fairlane und hatte mein Gesicht in den Händen vergraben, als Shelby endlich bei den parkenden Autos vor dem Club auftauchte. Sowohl mein Körper als auch meine Seele waren vollkommen erschöpft. Am liebsten hätte ich mich an Ort und Stelle zusammengerollt und in den Schlaf geflüchtet, um dem Gedanken an Dmitris Verrat an mir – und vor allem an uns – zu entrinnen.
„Alles in Ordnung bei dir?“, fragte Shelby fürsorglich und riss mich aus meinen jammervollen Gedanken.
„Nein, ganz und gar nicht“, antwortete ich kurz, und da sie nicht weiter nachfragte, beließ ich es dabei. Wie konnte Dmitri das nur tun? Und wie hatte er vor allem den Rudelältesten erlauben können, das zu tun? Den Gesetzen des Rudels blind zu folgen war etwas für Hohlköpfe und Mitläufer – für Wesen, die, wären sie Menschen, früher oder später wahrscheinlich mit rasiertem Schädel und grässlich schlabbrigen Batikklamotten in irgendeiner Sekte landen würden. Genau deswegen hatte ich trotz der Beleidigungen, trotz der quälenden Grübeleien über Dominanz und Unterlegenheit und trotz der fortwährenden Gefahr, von einem dahergelaufenen Rudelführer zur Paarung gezwungen zu werden, beschlossen, eine Insoli zu bleiben. Lieber ständig auf der Flucht, als willenlos unterworfen – das hatte ich mir geschworen.
„Immerhin nehmen wir drinnen eine ganze Menge Leute mit Drogen hoch“, bemerkte Shelby. „War also nicht völlig umsonst, das Ganze.“
„Für unseren Fall war es definitiv umsonst“, murrte ich und rieb mir die müden Augen, sodass meine Hände über und über mit Make-up und Blut verschmiert wurden.
„Detective!“, rief ein Polizist zu uns herüber. Shelby legte ihre Hand auf meine Schulter. „Bleib du hier sitzen. Ich kümmere mich drum.“
Der Polizist hatte einen mit
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