Nocturne City 03 - Todeshunger
Allein der Gedanke daran, jemanden trösten zu müssen, dessen Hobby es gewesen war, mir auf den Hintern zu tatschen, jagte mir kalte Schauer über den Rücken.
»So, und jetzt erklär mir bitte noch mal, warum ich die Einzige bin, die dir bei dieser Sache helfen kann, David.«
Nachdem die Kellnerin unsere Bestellung gebracht hatte, machte ich mich über die beiden Kokostörtchen her, während Bryson in seiner abgewetzten Mappe kramte und wenig später einen zerfledderten Aktenordner hervorholte, der seine krakelige Grundschulhandschrift trug.
»Schau rein«, forderte mich Bryson auf. Ich überblätterte die Tatortberichte und sah mir die großformatigen Fotos der Opfer an: drei Männer und eine Frau, die nackt auf dem Boden lagen und ein großkalibriges Einschussloch im Kopf hatten.
»Ich habe dir ja gesagt, dass es hier um Werwölfe geht …«, murmelte Bryson und beugte sich zu mir herüber. »Alle durch Kopfschuss getötet, der Erste vor acht Wochen. Man fand sie am Rand eines Naturschutzgebietes, der Sierra Fuego Preserve. Die Landeier von der State Police haben uns die Fälle zurückgegeben, weil die Opfer in Nocturne City gemeldet waren.«
Ich schob ihm die Fotos wieder zu. »Traurige Sache, David, aber wie du weißt, arbeite ich jetzt für das Sondereinsatzkommando. Selbst wenn ich wollte, könnte ich mich nicht damit befassen. Außerdem habe ich nach dem internen Ermittlungsverfahren beschlossen, lieber Türen einzutreten, als bösen Buben nachzujagen. Das Morddezernat braucht mich nicht mehr, und das beruht auf Gegenseitigkeit, verstehst du?«
»Ich arbeite seit einem Monat an der Sache«, zischte er mich an, »… und habe nichts. Keine Spuren, keine Hinweise, gar nichts. Ich komme noch nicht mal an die Rudel der Opfer heran, um herauszufinden, mit wem diese Leute Ärger gehabt haben könnten. Zur Krönung fand ich vor zwei Tagen das hier, als ich von der Arbeit heimkam.«
Er griff noch einmal in seine Mappe, holte ein weiteres Foto hervor und schob es über den Tisch. Das Bild zeigte die Eingangstür einer noblen Wohnung in Mainline, an die jemand ein totes Huhn genagelt hatte. Darunter hatte jemand mit dem Blut des Tieres die Worte »Wir wissen, wo du wohnst, Bulle!« aufs Holz geschmiert.
»Das ist verdammt noch mal nicht witzig!«, rief Bryson und zerknüllte das Foto. »Die Rudel denken, die Polizei kümmere sich nicht um die Sache, und wenn ich diese Morde nicht bald aufkläre, machen die Werwolffutter aus mir. Das kannst du nicht zulassen, Wilder.«
Ich setzte eine ernste Miene auf und sagte: »Unschöne Sache. Ich denke, die Rudel werden sich selbst um die Morde kümmern. Normalerweise haben sie keine Lust auf Einmischung von außen. Der tote Vogel an deiner Tür war nur eine höfliche Aufforderung.« Ich beugte mich nach vorn, nahm Bryson die Sonnenbrille ab und schaute ihm direkt in seine wässrigen blauen Augen. »Ich rate dir, den Fall zu den Akten zu legen, David, ehe jemand die Wände deiner schönen Wohnung mit deinen Innereien dekoriert.«
Da ich mittlerweile nicht nur das Eclair, sondern auch den Donut verspeist hatte, leckte ich mir genüsslich die Finger ab und stand auf, um zu gehen. »Halt die Füße still, David, dann wird alles gut – und hör auf, deine Anzüge von der Stange zu kaufen, dann wird alles noch viel besser!«
Ich legte ein paar Dollar auf den Tisch, drehte mich um und wollte gerade zum Ausgang gehen, als ich hörte, wie Bryson brummelte: »Man hört ja so einiges über dich, Wilder, aber dass du mittlerweile ein fauler Bulle geworden bist, hätte ich nicht gedacht!«
»Wie bitte?«, fuhr ich ihn an und warf ihm einen Blick zu, mit dem man einen Tresor hätte knacken können.
»Du hast doch andauernd einen auf Dirty Harry gemacht, warst die, die mir immer wieder damit auf den Keks gegangen ist, dass ich meinen Job besser machen und nicht so nachlässig arbeiten soll … und jetzt drehst du dich einfach um und sagst, ich soll diese Morde vergessen?«
Ich kam zurück und baute mich mit verschränkten Armen drohend vor ihm auf. »Willst du damit sagen, du willst diese Fälle wirklich lösen? David Bryson – der Polizist, der mir bei unserem ersten Treffen mitgeteilt hat, er würde am liebsten alle Werwölfe in einen Nationalpark sperren und Mutter Natur freien Lauf lassen? Ausgerechnet du willst die Morde an einer Handvoll Werwölfe aufklären?«
Er sah auf seine Hände. »Ich mag keine Freaks. Das heißt noch lange nicht, dass ich einen Vierfach-Mord
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