Nocturne City 03 - Todeshunger
entfachte.
»Schön, wenn du dich weiter wie ein trotziges Kleinkind aufführen willst, kannst du mir gestohlen bleiben!«
Stumm fuhr Dmitri herum und rannte beim Hinausgehen fast Sunny um, die gerade mit drei Tassen auf einem Tablett eintreten wollte. Nach einem Blick in unsere aufgebrachten Gesichter rang sie sich ein verlegenes Lächeln ab.
»Wer will Kakao?«
9
»Er kommt nicht zurück«, sagte ich, nachdem Sunny zum fünfzigsten Mal zum Fenster gegangen war. Mittlerweile war es dunkel, aber nicht viel kühler. »Hex noch mal. Ich habe seinen Werde-eine-Redback-oder-stirb-Mist so satt.«
»Vielleicht solltest du es mit etwas mehr Verständnis versuchen«, wandte Sunny ein. »Für ihn sieht es nämlich aus, als zögest du es noch nicht einmal in Erwägung, als wäre die ganze Sache absolut belanglos für dich.«
Mit einer abwehrenden Handbewegung entgegnete ich: »Ich muss das nicht in Stereo hören, Sunny! Ich bin ich und keine Redback. Warum muss ich mich für ihn ändern? Ich bin doch kein kaputtes Elektrogerät, an dem man nur eine Schraube festziehen muss, damit es funktioniert, wie der Benutzer es will. Ich bin nicht der Punchingball für seine Wutanfälle!«
»Das solltest du ihm sagen«, empfahl Sunny. Draußen erklang Motorradlärm. Ächzend legte ich die Hände auf die Augen.
»Willst du einen Rat?«, fragte Sunny, als der Scheinwerfer des Motorrads ins Wohnzimmer leuchtete.
»Nein.«
»Du wirfst Dmitri vor, er sei egoistisch, dabei bist du selbst verdammt überheblich und dickköpfig, Cousinchen. Jedes Mal, wenn er mit dem Rudel anfängt, nutzt du die Gelegenheit, um einen Streit vom Zaun zu brechen. Ich glaube, du streitest ganz einfach gern. Hör auf. Sag einfach Nein und lass das hinter dir.«
So, wie Sunny es erklärte, klang es natürlich wieder mal viel sinnvoller, als wenn ich selbst versuchte, meine Probleme zu analysieren. »Kann sein …«, grollte ich, ohne zu wissen, ob ich sauer auf mich, Sunny oder Dmitri sein sollte. »Tut mir leid, liebes Sorgentelefon, aber ich bin gestern von einem Höllenbiest aus Rauch und Zähnen durch den Wald gejagt worden, da kann ich jetzt nicht viel mit diesem Psychoblabla anfangen.«
»Einem Höllenbiest?«, fragte Dmitri, der in der Tür aufgetaucht war.
Sunny spreizte die Finger. »Das ist mir neu. Was ist passiert, Luna?«
Ich berichtete ihnen von dem Ding, das mich gehetzt hatte: wie es ausgesehen hatte, wie der faustgroße Stein durch seinen Körper geflogen war, mit welch unglaublich schnellen Bewegungen es mich verfolgt und wie es das Blut meiner Verletzungen gewittert hatte.
»Wahrscheinlich habe ich halluziniert«, beendete ich meine Schilderung. »Ich meine, das hört sich nach Dracula persönlich an, und Vampire fallen ja wohl definitiv unter Märchen und Legenden.«
»Eigentlich schon …«, antwortete Sunny zögerlich. »Aber es gibt sehr wohl Kreaturen, die Blut trinken. Zumindest gab es sie, auch wenn sie mittlerweile ausgestorben sein dürften.«
»Erzähl doch mal diesem Monster im Wald, dass es eigentlich schon ausgestorben ist«, brummte ich und versuchte aufzustehen. Sofort verkrampfte sich mein Fuß, und ich fiel vornüber. Dmitri fing mich auf.
»Vorsicht.«
»Ich habe während meiner Ausbildung durch Großmutter Texte gelesen, die neben Werwölfen noch andere Gestaltwandler erwähnten«, sagte Sunny. »Balgwandler, Kitsune, Wendigos. Aber sie sind alle vor Jahrhunderten oder gar Jahrtausenden in Revierkriegen umgekommen.«
»Wendigo«, wiederholte ich langsam den einzigen Namen in Sunnys Aufzählung, der mir bekannt vorkam. »Was sind das für Kreaturen?«
»Gottverdammte Barbaren«, polterte Dmitri, der mich immer noch umschlungen hielt. Sofort fuhr ich herum und sah ihn überrascht an. »Du kennst sie?«
Mit zusammengepressten Zähnen und ohne mir in die Augen zu sehen erwiderte er: »Alle Rudel in der Gegend kennen sie.«
Ich stieß ihn weg und fixierte ihn wütend. »Wolltest du das stillschweigend für dich behalten, oder was?«
Dmitri seufzte und rieb sich die Stirn. »Luna, mit den Wendigos willst du nichts zu tun haben. Vertrau mir.«
»Das sagst du über viele Sachen. Inzwischen müsste dir aufgefallen sein, dass ich mich von solchen Warnungen nicht abhalten lasse«, schimpfte ich. »Also raus damit: Was hat es mit den Wendigos auf sich?«
»Ja, los, erzähl, Dmitri!«, forderte nun auch Sunny mit verärgerter Stimme und trat dicht hinter mich. Durch die plötzliche Nähe zu meinem in Erregung
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