Nocturne City 03 - Todeshunger
Joshua diese entscheidende Information so bereitwillig preisgegeben hatte, und hielt einen Augenblick lang inne. Eigentlich hatte ich erwartet, mir einmal mehr sein pseudocleveres Gerede anhören und ihm die Bestätigung meiner Annahme aus der Nase ziehen zu müssen, aber anscheinend hatte ich ihn mit meinem geglückten Dominanzversuch doch härter erwischt als erwartet.
»Danke, du Idiot«, sagte ich. »Jetzt weiß ich wenigstens sicher, dass ich mich vor diesen Wahnsinnigen und ihrem abscheulichen Faible für Personen bestimmter Abstammungslinien in Acht nehmen muss.«
Ich war gerade aufgestanden, um Agent Hardy zu signalisieren, ich hätte bekommen, was ich wollte, als Joshua mit gemeinem Kichern rief: »Keine Bange, Luna, die Typen werden dich nicht noch einmal belästigen.«
Sofort ließ mir eine böse Vorahnung die Nackenhaare zu Berge stehen, und ich drehte mich wieder zu ihm um. »Was zur Hölle soll das bedeuten?«, herrschte ich ihn an, aber Joshua dachte nicht daran, mir zu antworten, sondern lümmelte wieder wie ein selbstgefälliger Rudelführer, dem nichts und niemand etwas anhaben konnte, auf seiner Pritsche.
»Sag mir gefälligst, wovon du sprichst!«, schrie ich wütend und versuchte, ihn mit einem dominanten Blick zu einer Antwort zu zwingen.
»Denkst du wirklich, du warst die einzige Tussi, die ich gebissen hab, Wilder?«, feixte er. »Hätte ich nicht für möglich gehalten, dass ein Superbulle wie du nicht an so was denken würde.«
»Du lügst!«, sagte ich sofort, weil nicht wahr sein durfte, was nicht wahr sein konnte. »Werwölfe haben Partner. Sie beißen nur ein Mal, und das war s.«
»Ich bin ein Serpent Eye«, sagte Joshua. »Wie zum Teufel kommst du darauf, die albernen Regeln anderer Rudel könnten mich interessieren?«
Kalt und mit all der tödlichen Bedrohlichkeit, die ich in meine Stimme legen konnte, fragte ich: »Wer ist sie?«
»Du bist doch der große Detective, Wilder!«, verspottete er mich, während sich seine Lippen erneut zurückzogen und die Reißzähne unter seinem überheblichen Grinsen zum Vorschein kamen. »Finds raus.«
Er quiekte, als ich ihn von der Pritsche riss und seinen Kopf über die Stahltoilette in der Zellenecke hielt. »Ich gebe dir fünf Sekunden. Wenn ich dann keinen Namen hab, wasche ich dir die Haare – im Klo!«
Joshua lachte, seine knochigen Schultern zuckten. »Komm mir nicht mit der Böser-Bulle-Masche, Luna. Wir wissen beide, dass du das nicht draufhast.«
Mit einer ruckartigen Bewegung drückte ich seinen Kopf nach unten, sodass seine Stirn auf den Toilettenrand knallte. Joshua schrie vor Schmerz. »Tu nicht so, als würdest du mich kennen«, warnte ich. Dann kauerte ich mich nieder, um ihm in die Augen sehen zu können, und packte ihn am Hals. »Wer ist sie?«
In der Vergangenheit hatte ich schon den einen oder anderen Werwolf dominiert, war dabei aber immer auf einer oberflächlichen Ebene geblieben, weil es meist nur darum ging, in einer brenzligen Situation meinen eigenen Hals zu retten. Diesmal war es anders: Es fühlte sich an, als steckte ich meine Hand in Joshuas Kopf und kratzte alles heraus, was ich dort fand. Er stöhnte vor Schmerz, und der Gestank seines Angstschweißes wurde mit jeder Sekunde intensiver. Spätestens jetzt wusste ich, warum Werwölfe seines Schlages dieses Machtritual so genossen: Es war die abscheulichste Form der Erniedrigung, die zwar ohne physische Gewalt, dafür aber umso brutaler ablief und den Unterlegenen unweigerlich in die Knie zwang.
»Wer?«, fragte ich. Statt zu antworten, begann Joshua am ganzen Körper zu zittern, und wenig später erfüllte der stechende Gestank von Urin die Zelle. Ich sah den Fleck auf seinem Overall, ein Zucken lief durch meinen ohnehin schon nervösen Magen, und ich war kurz davor, mich zu übergeben. Joshua hatte sich vor Angst in die Hose gepinkelt.
»Bei den Toten der Hex Riots …«, murmelte ich und wich von Joshua zurück, der sich auf dem Boden krümmte.
»C … Carla«, flüsterte er. »Carla Runyon. Daheim in Nocturne.«
Ohne ein weiteres Wort drückte ich auf die Gegensprechanlage, damit Agent Hardy mir die Tür öffnete, denn ich wollte nur noch eins: so schnell wie möglich diese Zelle verlassen. Kaum war die Tür offen, stürmte ich wie von Sinnen den grauen Flur entlang bis zur Lobby der Betrugsabteilung. Dort erst bemerkte ich Hardy, der mir gefolgt war und nun neben mir stand. »Ist die Sache mit Mackelroy nicht gut gelaufen?«
»Der Typ ist
Weitere Kostenlose Bücher