Nocturne City 03 - Todeshunger
dass du dir eine Totalprothese anfertigen lassen kannst!«, fauchte ich. »Es gab Tage, an denen ich mir nichts sehnlicher wünschte, als dir eine Kugel ins Hirn jagen zu können, Mackelroy. Selbst jetzt würde ich dich noch jederzeit ohne mit der Wimper zu zucken über die Klinge springen lassen.« Sein Körper war bis zum Bersten gespannt, bewegte sich aber keinen Millimeter – nur seine bleichen Lippen schoben sich langsam nach oben, sodass seine gefletschten Zähne zum Vorschein kamen. »Nachdem wir uns aber beim O’Halloran-Fall wieder getroffen hatten und dein armseliger Versuch, mich in dein Rudel zu zwingen, gescheitert war, habe ich erkannt, dass ich kein Schießeisen brauche, um mit dir fertigzuwerden. Weißt du auch, warum?«
Joshua antwortete nicht, und der Teil von mir, der ihn seit fünfzehn Jahren unter die Erde bringen wollte, war abgrundtief enttäuscht, als ich die Waffe wieder in den Holster steckte.
»Schwach!«, spie ich ihm mit einem kehligen Grollen ins Gesicht. Ich spürte, dass die Wölfin kurz davorstand, die Kontrolle zu übernehmen, und ich weder Waffen noch körperliche Gewalt brauchte, um Joshua zu bezwingen.
Ich sah ihm in die Augen und drängte seinen Willen zurück. Ich rang ihn mit meinem Blick nieder, und obwohl es sich anfühlte, als bohre sich genau an der Stelle, von der sonst die Wandlung ausging, eine glühend heiße Schmiedezange in meinen Bauch, machte ich weiter. Der Schmerz in meinem Innersten war nur logisch, denn schließlich war es kein x-beliebiger Werwolf, den ich gerade zu dominieren versuchte, sondern mein Erschaffer und rechtmäßiger Partner Joshua Mackelroy – der Wolf, der mich vom kaputten Menschen Luna Wilder in die Werwölfin Luna Wilder verwandelt hatte.
Joshuas Blut war mein Blut. Gegen ihn anzutreten bedeutete nichts anderes, als mich meiner dunkelsten Seite zu stellen.
Dennoch stieß ich ihn weg, und er heulte. »Nein! Hör auf!«
»Doch«, presste ich mit gefletschten Zähnen hervor – oder vielleicht knurrte ich auch nur, ich weiß es wirklich nicht. »Du bist schwach. Du gehörst mir.«
»Schlampe …«, keuchte Joshua, »du kannst doch nicht einfach …«
Als der Schmerz in meinem Körper fast die Grenze des Erträglichen erreicht hatte, fühlte ich, wie Joshua zurückwich – nur ein paar Millimeter zwar, aber er wich zurück!
»Du kannst mir nicht mehr befehlen, was ich zu tun und zu lassen habe!«, knurrte ich, als ich spürte, wie sich der anfängliche Riss in seiner Fassade vergrößerte und sein Wille zu bröckeln begann. Wenig später barst seine Dominanz wie eine Glasflasche, die zu Boden fällt, und schließlich walzte die Macht meines Zorns sie platt. Geschlagen und gedemütigt kauerte er sich auf die Pritsche. Über seine Wangen liefen große Schweißtropfen, die wie verirrte Tränen aussahen.
»Hör auf!«, heulte er und hätte sich wahrscheinlich am liebsten unter dem Bett verkrochen. »Hast du mir noch nicht genug angetan?«
»Du hast angefangen«, erinnerte ich ihn und setzte mich wieder. Joshuas magere Brust unter seinem Gefangenen-Overall hob und senkte sich fast im Sekundentakt. Trotz der zwei Meter Entfernung zwischen uns hörte ich seinen rasenden Herzschlag. »Warum bist du wiedergekommen?«, fragte er mit jammernder Stimme. »Ich hatte mit dir abgeschlossen, als du davongelaufen bist, und jetzt tauchst du hier auf und folterst mich. Warum malträtierst du mich?«
»So weinerlich hatte ich dich gar nicht in Erinnerung, Joshua«, frotzelte ich und schlug die Beine übereinander. »Ich bin wegen der Serpent Eyes hier. Ich weiß, ihr erweitert euren Kreis nur durch den Biss und nicht durch Geburt. Als du mich damals gebissen hast, ging neben der Magie deines Rudels in gewisser Weise auch dein Blut auf mich über, ob es mir gefiel oder nicht.«
»Na und?«, murmelte er.
»Na und?«, knurrte ich ihn an und beugte mich vor. »In Nocturne tötet eine Horde Psychopathen die Nachfahren der alteingesessenen Werwolffamilien, und genau diese Typen haben mich entführt und im Wald ausgesetzt, damit ich dort elendig verrecke. Ich habe eine Weile gebraucht, um zu kapieren, warum sie mich ausgewählt haben, aber dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Sie wollten mich töten, weil mein Erschaffer ein direkter Nachkomme der ersten Serpent-Eye-Familie in Nocturne ist!«
»Na klar«, knurrte Joshua. »Jetzt verstehst du vielleicht auch, warum ich so litt, als du fortgegangen bist.«
Ich war einigermaßen überrascht, dass
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