Nocturne City 03 - Todeshunger

erklären, dass Bryson keine Chance hatte, eine Serpent Eye wie Carla Runyon allein zu finden.
    »Ich glaube, ich habe mich klar genug ausgedrückt!« Ihre Stimme war immer noch ruhig, aber ihre Züge verrieten, dass sie stinkwütend war. »Zwingen Sie mich nicht, mich zu wiederholen.«
    »Was gibt’s, Wilder?«, begrüßte mich Bryson und stellte sein Essen auf einem Aktenstapel vor mir ab. Der Geruch von Buletten, scharfer Sauce und köstlichem geschmolzenen Mozzarella ließ mir das Wasser im Mund zusammenlaufen.
    »Ich weiß, wen sich meine Entführer als Nächstes schnappen werden: Carla Runyon, eine Werwölfin vom Rudel der Serpent Eyes.«
    »Danke«, rief Bryson. »Ich werde pronto ein paar Uniformierte zu ihr schicken.«
    »Nein«, begann ich. »Ihr Rudel wird nicht erlauben …«
    »Detective Bryson wird dieser Spur nachgehen, sobald er Zeit dafür findet«, wiegelte Morgan ab und warf ihm einen scharfen Blick zu. »Schönen Tag noch, Officer.«
    »Nein«, sagte ich. »Höchstwahrscheinlich werden Sie heute Nacht zuschlagen. David, du musst dich mit ihr in Verbindung setzen und ihrem Rudel klarmachen, was es mit diesen Morden auf sich hat …«
    »Gehen Sie, Officer«, fuhr mich Morgan an und packte mich am Ellbogen.
    »Zwingen Sie mich nicht, Captain Delahunt vom NCPD-SWAT anzurufen!«, fauchte sie mir ins Ohr, während sie mich zum Ausgang schob.
    »Du musst sie finden, David!«, rief ich Bryson über die Schulter zu. »Morgen wird es zu spät sein!«

11
    Nocturne Citys Gerichtsmedizin stammte direkt aus einem Horrorfilm aus den Siebzigerjahren: Sie befand sich hinter mehrfach verriegelten Stahltüren im Keller eines riesigen Gebäudes, in dem das kalte Licht flackernder Leuchtstoffröhren das perfekte Ambiente für stinkende Zombies, wahnsinnige Messerstecher und Dr. Kronen – den einzigen Gerichtsmediziner, der es länger als zwei Jahre in Nocturne City ausgehalten hatte – boten.
    »He, Doktor«, rief ich beim Anklopfen durch die halb offene Tür seines Büros.
    »Officer Wilder.« Er schob seine Brille ein Stück nach unten und schenkte mir ein kleines Lächeln. »Schön, dass Sie sich die Zeit genommen haben.«
    »Für Sie immer, Doktor!«, antwortete ich. »Was haben Sie?«
    Mit einer hastigen Bewegung schob Kronen seinen Stuhl zurück und zupfte beim Aufstehen an seinem Schlips herum, sodass er nun nicht mehr schief auf der rechten, sondern schief auf der linken Seite hing. »Wissen Sie, Luna, ich habe gehört, was Ihnen passiert ist. Wenn der Bezirksstaatsanwalt Wind davon bekommt, dass ich Ihnen Ermittlungsergebnisse eines Falles liefere, bei dem Sie selbst das Opfer sind …«
    Verdammt. Verdammt und noch mal verdammt, und dann noch mal, weil’s besser ist.
    »Keine Angst, wird er nicht. Bryson braucht meine Hilfe bei dem Fall, also seien Sie ein wenig nachsichtig, ja?«
    »Hmm …« Kronen tippte sich gedankenvoll mit dem Zeigefinger gegen die Schneidezähne.
    »Diese Typen haben mich verschleppt und nackt im Wald ausgesetzt – ich sollte dort sterben! Auch wenn sich die Methode unterscheidet, glaube ich mittlerweile, dass sie bei den anderen vier Morden ähnlich vorgingen«, erläuterte ich.
    »So viel anders, wie Sie annehmen, war die Methode gar nicht.«
    »Was soll das heißen?«
    Kronen lächelte leise. »Kommen Sie, ich zeige Ihnen etwas.«
    Kronen ging voraus und führte mich durch einen Flur mit vielen Schwingtüren zur Kühlkammer der Gerichtsmedizin. Der blank geputzte Linoleumboden und die blitzende Edelstahlverkleidung der Wände reflektierten das kalte Neonlicht der Deckenbeleuchtung. Bis auf das Brummen der Ventilatoren, die gegen den Verwesungsprozess ankämpften, herrschte absolute Stille. Neben jeder Menge unidentifizierter Leichen und Überdosisopfern lagen hier auch einstige Bewohner staatlich subventionierter Pflege- und Altersheime, die eines natürlichen Todes gestorben waren. Alle Leute, für die kein Platz mehr in den Tiefkühlfächern am Ende des Flurs war, kamen in die Kühlkammer. Trotzdem war – dank der leistungsstarken Lüftung – der Gestank nicht so schlimm, wie ich es erwartet hatte.
    »Volles Haus heute, was, Bart?«, scherzte ich, als er die zusätzliche Beleuchtung – eine Reihe schief von der Decke baumelnder Lampen – einschaltete.
    Abgesehen von den Etiketten am Fußende glichen die Leichensäcke auf den Tischen einander wie ein Ei dem anderen. Kronen führte mich zu einem unförmigen Sack in der Mittelreihe, streifte ein paar Handschuhe über und