Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Nocturne City 03 - Todeshunger

Titel: Nocturne City 03 - Todeshunger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caitlin Kittredge
Vom Netzwerk:
verätzte es bis auf die Knochen. Es fiel zitternd und stöhnend zu Boden.
    »Formaldehyd«, erläuterte Bart. »Besser, wir verschwinden, ehe uns die Dämpfe auf die Bretter schicken.«
    Meine Augen tränten, und meine Nase stach, was sich anfühlte, als hätte ich mir brennende Streichhölzer in den Riechapparat geschoben, als ich über Aleksandr hinwegstieg und mit Bart im Schlepptau zur Tür des Obduktionssaals wankte. »Wo ist der andere?«
    Durch den beißenden Geruch der Chemikalie konnte ich Jin zwar nicht riechen, aber ich wusste, dass er irgendwo da draußen auf uns lauerte. »Passen Sie auf, Bart, ich will, dass Sie jetzt zum Ausgang rennen und dafür sorgen, dass niemand hier herunterkommt, ja?«
    Er nickte. »Dann tue ich gar nicht erst so, als wollte ich den Helden spielen, Officer. Seien Sie vorsichtig.«
    »Keine Bange«, murmelte ich und trat auf den Flur hinaus. »Ich bin immer vorsichtig.« Nach unserer Verabschiedung rannte Kronen zu den hell leuchtenden Schildern, die den Weg zum Notausgang anzeigten, während ich die entgegengesetzte Richtung einschlug. Um Jins Aufmerksamkeit zu erregen und Bart die Flucht zu ermöglichen, versuchte ich, so viel Krach wie möglich zu machen.
    »He, du!«, rief ich laut und trat dabei die Türen zu den Arbeitsräumen auf, die links und rechts vom Flur abgingen. »Jin Takehiko, ich rede mit dir! Hör auf, dich zu verstecken, und zeig mir gefälligst deine hässliche Visage!« Ich musste gehörig die Zähne zusammenbeißen, um den Schmerz im Arm ertragen zu können. Wie es aussah, heilte die Wunde kein bisschen, sondern blutete einfach nur unablässig vor sich hin.
    Hinter der letzten Tür, die vom Flur abging, befand sich ein Laboratorium, das ich noch sehr gut aus meiner Ausbildungszeit in Erinnerung hatte. In meinem ersten Jahr bei der Mordermittlung war ich mit meinem Ausbilder, Detective Burke, wegen einer ermordeten Frau dort gewesen, deren Leichnam sich in einer Schiffsschraube verfangen hatte und dann von der Besatzung eines Frachtschiffs aus der Siren Bay gefischt worden war. Der grausame Gestank und der schreiende Ausdruck in ihrem zerschundenen Gesicht hatten sich auf ewig in mein Gedächtnis eingebrannt. Die Identifizierung hatte unglaublich lange gedauert, weil der Killer der Ärmsten die Zähne herausgebrochen und die Fingerkuppen abgeknipst hatte.
    Detective Burke war kurz nach diesem Fall in Rente gegangen. Ich hatte eine gesunde Abneigung gegen die Gerichtsmedizin entwickelt. Leichen machten mir nichts aus, aber wenn sie in Stücke gehackt oder mit heraushängenden Eingeweiden und abgetrennten Gliedmaßen – kurz gesagt: in Fetzen gerissen -vor mir lagen, konnte ich ihren Anblick nicht ertragen. Er erinnerte mich zu sehr an die eigene Vergänglichkeit.
    Mit einem tiefen Atemzug versuchte ich, die unerträglichen Erinnerungen zu verdrängen, und trat die Tür auf. »Jin! Wo steckst du?«, brüllte ich in den dunklen Raum hinein. Kaum war mein Ruf verhallt, tauchte er wie aus dem Nichts vor mir auf. Aus seinem Maul hingen die zerfetzten Überreste einer menschlichen Hand.
    »Du bist eklig«, höhnte ich, knipste Licht an und machte ein paar schnelle Schritte zur Seite, sodass der große Labortisch zwischen uns stand. Mein Plan war einfach gewesen: Genug Zeit schinden, damit sich Kronen in Sicherheit bringen konnte, und danach selbst die Beine in die Hand nehmen. Ich hatte geahnt, dass es so nicht funktionieren würde, aber ich mochte Pläne irgendwie: Sie gaben mir zumindest zeitweise ein Gefühl der Sicherheit.
    Jin ließ seine Trophäe fallen und richtete sich auf. Als er stand, sah ich, dass er ganz und gar von einem feinen Nebel umgeben war, der wie ein taubenetzter Fellmantel auf seinem Körper lag. Durch Kronens Beispiel inspiriert griff ich mir den nächstbesten Chemikalienbehälter und öffnete den Schraubverschluss. Mit einem Blick auf das Etikett sah ich, dass es nur Alkohol war. Über den Jordan schicken konnte ich ihn damit nicht, aber unter den gegebenen Umständen war ich schon zufrieden, meinem Gegner die Haut zu verbrennen.
    »Zurück!«, warnte ich Jin. Er zeigte sich allerdings wenig beeindruckt. Er grinste nur höhnisch und fuhr sich so lange mit seiner blutroten Zunge über die monströse Zahnreihe, bis ihm der Speichel vom Kinn tropfte.
    »Na gut«, presste ich mit gebleckten Zähnen hervor. »Auch recht.« Mit einer energischen Bewegung schüttete ich Jin den Alkohol direkt ins Gesicht, griff mir den Bunsenbrenner vom

Weitere Kostenlose Bücher