Nocturne City 03 - Todeshunger
erwiderte Dmitri gereizt, »und nach dem, was passiert ist, wird sich das auch nicht ändern.«
Sunny stemmte die Hände in die Hüfte und starrte Dmitri grimmig an. »Jetzt hör mir mal zu, Dmitri Sandovsky, ich mag vielleicht keine Polizistin sein, aber ich erkenne einen Lügner, wenn er vor mir steht. Luna wäre eben fast vor die Hunde gegangen, also spuck jetzt lieber aus, was du weißt, bevor ich mir einen finsteren Zauberspruch für dich einfallen lasse!«
Sunnys Wutanfall zauberte mir ein Grinsen aufs Gesicht, obwohl ich das Gefühl hatte, gleich vom Rand der Welt zu rutschen.
»Strahlende Herrscherin, warum strafst du mich nur mit diesem Weibsvolk?«, murmelte Dmitri vor sich hin. »Passt auf, alles, was ich euch geben kann, ist ein Name: Lucas Kennuka – er führt den Clan, der draußen bei der Interstate haust. Wir haben eine Abmachung mit ihnen: Sie halten sich von der Stadt fern, und im Gegenzug setzen wir keinen Fuß auf ihr Territorium.« Er fauchte Sunny an. »Reicht das?«
»Vollkommen. Warum nicht gleich so?«, antwortete sie mit einem ehrlich gemeinten Lächeln.
»Danke, Liebling.« Ich stand auf. Das anfängliche Schwindelgefühl verflog, und im Handumdrehen fühlte ich mich nicht nur wie neugeboren, sondern sogar stark – stark genug für einen Besuch bei den Wendigos.
14
Die Sonne warf schon lange Schatten, als ich mich auf den Weg in Richtung Sierra Fuego Preserve machte. Brombeerbüsche und andere wild wuchernde Sträucher verdeckten die Abfahrt zur Feuerwerksfabrik, und auch das umgeknickte Holzschild mit der vergilbten Aufschrift tat das seine dazu, dass ich einige Zeit brauchte, um den Weg zu finden. Schließlich entdeckte ich eine ausgefahrene Piste, die man selbst mit gutem Willen kaum als Straße bezeichnen konnte. Ich zuckte alle paar Sekunden vor Schreck zusammen, da der Wagen immer wieder auf dem unebenen Boden aufsetzte. Der Weg endete vor einer chaotischen Ansammlung heruntergekommener Caravans und Blockhäuser mit kaputten Fenstern und moosbewachsenen Dächern. Weit und breit war niemand zu sehen, als ich neben einem 57er Chevy Pick-up-Truck parkte, der so blitzte und blinkte, dass ich angesichts meines staubbedeckten und nahezu schrottreifen Fairlane vor Scham fast im Boden versunken wäre.
»Hallo?«, rief ich. Nur ein paar aufgeschreckte Vögel flatterten aus dem dichten Wald vor mir. Ich reckte die Nase in die Höhe, um die Witterung aufzunehmen. Rauch von verbranntem Holz und Zigarettentabak lag in der Luft und mischte sich mit dem abscheulichen Gestank eines Plumpsklos oder einer leckenden Klärgrube. Daneben kroch mir jedoch ein würziger Fleischgeruch in die Nase, der meinen Magen knurren ließ.
»Hallo!«, rief ich nochmals. »Ist da irgendjemand? Ich hätte da ein paar Fragen!«
Keine Antwort, das einzige vernehmbare Geräusch kam von einem kleinen Bach, der hinter den Wohnwagen den Berg hinunterplätscherte. Von der Stille verunsichert öffnete ich meinen Pistolenholster und erkundete das Gebiet, das hinter den baufälligen Blockhäusern lag. Obwohl die Gegend einen gruseligen Eindruck machte und von der Atmosphäre her durchaus Ähnlichkeiten mit dem Feriencamp Crystal Lake aus »Freitag, der 13.« hatte, wirkte sie dennoch nicht wie der Unterschlupfeines Wahnsinnigen, der im Akkord Werwölfe ermordete, um sie in blutrünstige Zombies zu verwandeln.
Während ich mich weiter umsah und dabei jede Menge kleine Wege entdeckte, die zu unbekannten Zielen hinter dem Dickicht führten, dachte ich über die Einzelheiten des Falls nach. Gerard Duvivier fiel als Mordverdächtiger inzwischen aus. Es musste jemand anderes sein, der in Nocturne umherzog und Werwölfe aufgrund ihres Stammbaums tötete und danach in herzlose Killermaschinen verwandelte. Aber wer? Was hatte es mit der Auswahl der Opfer auf sich? In was genau verwandelten sich die Ermordeten? Sosehr ich auch nachdachte, Antworten wollten mir keine einfallen. Erst als ich auf eine Lichtung trat und dort ungewöhnliche Zeichen auf dem Boden entdeckte, holte die Gegenwart meine Grübeleien wieder ein.
Jemand hatte das Laub der umstehenden Bäume beiseitegefegt und drei ungleichmäßige magische Kreise in die von der Hitze ausgedorrte Erde geritzt. Sie waren nicht schön, schienen dafür aber ungemein stark zu sein. Ich musste sofort an Laurel Glückstalisman und seine primitive magische Energie denken. Ohne groß zu überlegen, holte ich das Minitaschenmesser an meinem Schüsselbund hervor und ritzte mir damit
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