Nocturne City 03 - Todeshunger
Ihnen das nicht zu warm?«, fragte ich und musste schlucken, als er mir mit zur Seite geneigtem Kopf ein kleines Lächeln zuwarf.
»Nein, mir ist immer eher kühl«, antwortete er zögerlich und ging voran in Richtung Siedlung zurück. »Sie wissen also, dass wir hier leben … was wollen Sie von uns? Geld vielleicht? Oder sind Sie Reporterin auf der Suche nach einer Story?«
»Weder noch«, entgegnete ich und fühlte, wie sich das kleine aufgeregte Zucken in meinem Magen zu einer handfesten Nervosität mauserte. »Ich … nun, ich bin hier, weil ich mit den Wendigos sprechen muss. Es geht um vier Morde in Nocturne.« Ich fürchtete zwar, dass das der letzte Handgriff sein könnte, den ich je tat, zog aber trotzdem meine Marke heraus. »Ich bin Polizistin.«
Lucas blieb stehen, drehte sich zu mir um und sah sich meine Dienstmarke an. Er nickte. »Gut. Wir sind schon fast da. Gehen Sie ruhig voraus, mein Wohnwagen ist der große da mit den Geranien. Da können wir uns ungestört unterhalten.« Wie ein Gentleman geleitete er mich zum Wagen und hielt mir die Tür auf. »Gehen Sie ruhig rein«, flötete er.
Kaum war ich eingetreten, stieg mir der Geruch kalten Metalls in die Nase, aber es war zu spät, um umzudrehen. Im nächsten Moment knackte bereits ein Spannhahn, und die Mündung eines Revolverlaufs presste einen langen, eisigen Kuss auf meine Schläfe.
»Also, Miss Wilder …«, sagte Lucas und schloss die Tür des Wohnwagens. »Warum erzählen Sie uns nicht einfach, warum Sie wirklich hergekommen sind?«
»Uns?«, fragte ich und versuchte, Lucas dadurch in ein Gespräch zu verwickeln und die Person mit dem Schießeisen abzulenken. Eventuell würde es mir dann mit einer schnellen Bewegung gelingen, ihr die Waffe aus der Hand zu reißen.
Anstatt zu antworten, zündete Lucas eine Kerosinlampe an und hielt sie vor mich hin. Im Handumdrehen wurden die Gesichter dreier bewaffneter Männer sichtbar, von denen aber keiner in der Gruppe meiner Entführer gewesen war.
»Passen Sie auf …«, begann ich, um Schadensbegrenzung bemüht, »… es ist nicht so, wie Sie jetzt vielleicht denken.«
»Nicht nur, dass Sie eine Werwölfin sind, die in unser Revier eingedrungen ist. Nein, Sie sind auch noch ein gottverdammter Bulle und wollen uns vier Morde anhängen!«, raunte mir Lucas von hinten ins Ohr, wobei ich seinen Atem auf meinem Hals spürte. Unnötig zu sagen, dass mir sofort ein eiskalter Schauer über den Rücken lief. »Sagen Sie mir, was soll ich denn da denken?«
Ich drehte mich zu ihm um. Er hatte einen selbstgefälligen Gesichtsausdruck und grinste ein wenig, während er kaum wahrnehmbar auf den Fußballen wippte.
»Ab wann wussten Sie, dass ich eine Werwölfin bin?«
»Seit Sie den Pfad zur Lichtung eingeschlagen haben«, entgegnete er. »Wir haben eine Abmachung mit den Werwölfen, und Sie haben sie gebrochen. Diese Abmachung gibt mir das Recht, Sie zu ohne Weiteres zu töten und Ihre Überreste an die Krähen zu verfüttern.« Er schnippte mit den Fingern, und sofort waren zwei weitere Pistolenläufe auf meinen Kopf gerichtet.
»Glauben Sie mir, Lucas, das wollen Sie nicht«, warnte ich ihn. An meinen Handflächen lief bereits warmes Blut herunter, weil die Klauen durch die Haut meiner geballten Fäuste brachen. Als Lucas sich grollend näherte, hatte ich große Mühe, die Wölfin zurückzuhalten. Angesichts der Bedrohung durch vier fremde Lebewesen war sie wild entschlossen, sich jeden Augenblick in den Kampf zu stürzen.
»Falsch, Süße. Im Augenblick würde ich nichts lieber tun, als Ihnen den Garaus zu machen!«
»Nun, dann tut es mir leid …«, antwortete ich, ohne den Blickkontakt mit ihm abzubrechen, »… wenn ich Sie enttäuschen muss.« Mit einer pfeilschnellen Bewegung duckte ich mich links an ihm vorbei. Lucas war durch seinen athletischen Körperbau etwas langsamer als ich. Ehe er überhaupt reagieren konnte, stand ich hinter dem Clanführer und drückte ihm den Lauf meiner Glock an den Hinterkopf. Blitzschnell legte ich den freien Arm um seinen Hals und schrie: »Waffen runter!« Lucas’ Körper verkrampfte sich im ersten Augenblick, weil ich ihn würgte, entspannte sich dann aber wieder.
»Tut, was sie sagt!«
»Kennhuhke …«, begann einer der drei.
»Sofort!«, brüllte Lucas. In seiner Stimme lag so viel Kraft, dass ich Angst hatte, er könnte sich jeden Augenblick losreißen. Der Gescholtene zog den Kopf ein und ließ die Waffe sinken.
»Was jetzt?«, fragte Lucas. »Sie
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