Nocturne City 03 - Todeshunger
blutet«, bemerkte Sunny.
»Diese verdammte Wunde will einfach nicht verheilen«, fluchte ich angesichts der roten Flecken auf meinem Verband.
»Dmitri hat mir gesagt, dass sie mit vierzig Stichen genäht werden musste«, sagte sie ernst. »Du solltest realistisch sein – selbst dein Körper braucht ein bisschen Erholung, um sich zu regenerieren.«
»Wenn einen untote Zombies durch ein Leichenschauhaus jagen …«,. begann ich, »… und irgendwelches Voodoogezücht aus den Gräbern kriecht, um Jagd auf die Lebenden zu machen, wird das Wort ›realistisch‹ ziemlich bedeutungslos, Cousinchen.«
»Bei aller Liebe, Luna, selbst Voodoo-Priester können die Toten nicht wieder zum Leben erwecken«, erklärte Sunny. »Vodun – oder Voodoo, wie du es nennst – ist ein Teilgebiet der Blutmagie, mit dem sich der Wille einer anderen Person kontrollieren lässt. Die Schwarzmagier des Vodun, die Bokor, sind zwar in der Lage, das Herz eines Menschen stillstehen zu lassen, aber nach dem Tod können sie es nicht wieder zum Schlagen bringen.«
Ich wischte mir mit der Hand über das Gesicht. Es war klamm vom Schweiß. »Ich habe keine Ahnung, was oder wer diese Bestien in der Gerichtsmedizin waren. Eigentlich sollten in den Leichensäcken Werwölfe liegen, aber alles deutet auf Wendigos hin. Man hatte ihnen die Herzen aus der Brust gerissen, und als sie dann von ihren Totenbahren hüpften, waren sie im Blutrausch. Die ganze Sache war verdammt merkwürdig. Ich wünschte, ich hätte irgendeine Erklärung.«
Ich begann, an dem Pflaster auf meinem Arm zu popeln, und nahm schließlich den kompletten Verband ab. Die vier genähten Hiebwunden auf meinem Unterarm waren entzündet, und aus den Nähten sickerte eitriges Blut.
»Das sieht nicht gut aus, Luna«, sagte Sunny beim Anblick der Wunde stirnrunzelnd. »Kannst du mir vielleicht noch etwas über das Wesen erzählen, das dich verletzt hat? Vielleicht finde ich ja einen Zauber, der dir bei der Heilung helfen kann.«
»Diese Wesen waren …« Ich seufzte und dachte an ihre flachen, silberfarbenen Augen, ihre Zähne und die Geräusche, die sie bei der Jagd von sich gegeben hatten. »Nun ja … sie haben mich irgendwie an Stephen Duncan erinnert, wenn er durch den Zauber des Dämons in einen Werwolf verwandelt war. Andererseits waren sie aber nicht wie Stephen, denn Duncan war nur eine Marionette. Diese Viecher waren intelligent. Sie jagten Bart und mich und sind taktisch vorgegangen, um an uns ranzukommen.« Sie sind außerdem zu Asche verbrannt, hatten Selbstheilungskräfte, gegen die ein Werwolf alt aussah, und … »Stark waren sie … stärker als ich.«
Sunny und Dmitri tauschten Blicke. »Die Wendigos verwandeln eigentlich keine anderen Spezies«, erklärte Sunny. »Für mich hört sich das nach Wesen an, die ein Beschwörungszauber herbeigerufen hat.«
»Das hilft mir nicht weiter …«, begann ich, doch auf einmal begann meine Wunde wild zu pochen, und ich brach mitten im Satz ab. Statt weiterzusprechen, stöhnte ich und presste instinktiv den Arm an meinen Bauch. Der stumpfe Schmerz unter den Nähten fühlte sich an, als grüben sich Priscillas Klauen immer noch durch mein Fleisch und rissen blutige Furchen. Gerade als ich Sunny und Dmitri sagen wollte, dass ich mich lieber einen Augenblick hinlegen wolle, verschwamm plötzlich alles vor meinen Augen, und ich sackte zusammen.
Erst durch die klatschenden Backpfeifen Dmitris kam ich wieder zu mir. Er stand über mich gebeugt und schüttelte meine Schultern.
»Au«, stöhnte ich, denn mein Hinterkopf schmerzte nun fast genauso sehr wie mein Arm. »Was zum Teufel ist geschehen?«
»Du hast das Bewusstsein verloren!«, sagte Dmitri. »Bist umgefallen wie ein Sack Kartoffeln.«
»Ich fühle mich auch nicht … so gut«, brachte ich heraus. Meine Zunge war auf ein Vielfaches ihrer eigentlichen Größe angeschwollen. Der Schmerz strahlte mittlerweile von der Wunde in alle Glieder aus. Das letzte Mal, dass ich mich so elend gefühlt hatte, musste bei meiner ersten Wandlung gewesen sein; damals, einen Monat nach dem Biss, als ich Joshua – wären die schlecht heilenden Bisswunden nicht gewesen – schon fast wieder vergessen hatte. Statt der befürchteten Hepatitisinfektion hatte ich mir durch seinen Biss etwas weitaus Verhängnisvolleres eingefangen: eine Mitgliedschaft bei den Serpent Eyes – dem einzigen Rudel ohne rudelspezifische Magie. Als Serpent Eye wusste man nicht, welche magischen Fähigkeiten man von seinem
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