Noelles Demut
ist denn Folkestone?“
„In der Nähe von London.“
„Und der Job reizt dich?“
„Ja! Sehr sogar. Der Besitzer des Hotels ist ein Studienfreund. Er würde mir völlig freie Hand lassen, und das Budget ist verdammt hoch. Meiner Kreativität wären nur bauliche Grenzen gesetzt. Es ist ein sehr interessantes Angebot.“
„Und warum überlegst du noch? Du willst den Job, also schnapp ihn dir.“
„Es ist nur so: das Hotel ist nicht gerade klein und ich müsste, zumindest in der Planungsphase, permanent vor Ort sein. Das gesamte Bauvorhaben könnte gut und gerne ein Jahr dauern und die ersten ein, zwei Monate wäre ich in London.“
„Ich werde nicht mit nach Los Angeles kommen“, sagte Noelle bestimmend und schwieg dann. Simon wurde unruhig. Es würde ihr sicher nicht gefallen, wenn er jetzt für Monate nicht bei ihr war. Es missfiel ihm ja selbst.
„Da ich demnächst nach London fliege, um meinen Liebsten zu besuchen, muss ich meinen Urlaub sparen.“
Simon hielt vor dem Club und ergriff Noelles Hand. Sanft küsste er ihre Fingerspitzen. „Ich vermisse dich jetzt schon.“
„Wann soll es denn losgehen?“
„In acht Wochen.“
„Dann lass uns in den Club gehen, damit wir schleunigst wieder heimkommen.“
Diese flapsige Antwort konnte das Entsetzen in ihrem Blick nicht verbergen. Simon hielt sie fest, als sie aus dem Wagen aussteigen wollte.
„Wenn du nicht willst, dass ich fliege, bleibe ich hier.“
Noelle drehte sich zu ihm und legte ihre wunderbar sanfte Hand an seine Wange.
„Ich möchte, dass du dir diesen Auftrag schnappst. Ich wäre eine gefühlskalte Schnepfe, wenn es mir egal wäre, dich nach so kurzer Zeit nicht mehr bei mir zu haben. Das ist alles. Es ist wirklich in Ordnung. Ich werde Überstunden auf Teufel komm raus machen, damit ich dich so oft wie möglich besuchen kann.“
Als sie den Club betraten, kam ihnen John mit einer Kiste Wodka aus dem Lager entgegen. Die Kiste wäre ihm fast aus der Hand gerutscht, so überrascht schien er, sie zu sehen.
„Hallo ihr zwei. Schön, euch zu sehen.“
„Hallo John“, flötete Noelle. „Jetzt kommt deine große Stunde. Ich habe den ultimativen Cocktail für dich.“
Simon hatte ein Lachen oder wenigstens ein Schmunzeln von John erwartet, doch er sah ihn nur angespannt an.
„Können wir kurz miteinander sprechen?“, fragte John.
„Nell!“ Simon reichte ihr die Tüte mit dem Geschenk. „Geh nach oben und lass schon mal Wasser in die Wanne ein. Ich komme gleich nach. Und bekomm deine Neugier in den Griff. Wehe, du guckst in die Tüte!“
Noelle nahm ihre Überraschung, presste sie kindlich vergnügt an ihre Brust und hüpfte die Treppe hinauf.
„Was ist los?“, fragte Simon misstrauisch, als sie außer Hörweite war.
„Ann und ich hatten vorgestern eine Session. Ich konnte ihr keine Erfüllung schenken. Würdest du mich ausbilden?“
„Wie stellst du dir das vor?“
„Jesse hast du auch geholfen.“
„Er hat auch sadistische Neigungen. So was kann man nicht antrainieren.“
„Du könntest mir wenigstens die Techniken beibringen. Bitte, Simon! Ich werde sie sonst verlieren.“
„So läuft das nicht, John. Du kannst nichts erzwingen, was nicht in dir ist.“
Verzweiflung stand John ins Gesicht geschrieben.
Simon seufzte. „Ich rede mit Noelle, vielleicht hat sie nichts dagegen. Aber langfristig müsst ihr euch eine andere Lösung einfallen lassen. Ich werde einen Auftrag in London annehmen.“
„Wann?“
„In acht Wochen.“
Diese zwei Worte hingen wie eine böse Vorahnung zwischen ihnen. John schluckte. „In dieser Zeit werde ich eine Lösung finden, aber bis dahin: Bitte hilf uns!“
„Ihr bekommt meine Antwort, wenn wir in die Bar kommen.“
John nickte, fasste den Karton fester und ging zurück in die Bar.
Simon starrte ein paar Minuten die Tür an. Es würde nicht reichen, John den Umgang mit einer Peitsche beizubringen. Alles in allem war Ann dominanter als er. Ihre Schmerzgrenze war derart hoch, dass selbst Simon manchmal Zweifel hatte, ihr gerecht zu werden. Schweren Schrittes stieg er die Treppe hinauf. Eigentlich hatte er ein romantisches Bad und ein intensives Liebesspiel geplant, doch seine Stimmung war abgeflaut. Schon auf dem Flur konnte er Noelle singen hören, vergnügt, laut und schief. Er musste schmunzeln. Was hatte er doch für ein Glück!
Noelle trällerte eine Melodie, die sie aus dem Radio kannte. Ab und zu tauchte sie mit dem Kopf unter Wasser. Das hatte sie schon als
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