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Noelles Demut

Noelles Demut

Titel: Noelles Demut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kat Marcuse
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abgehauen.“
    „Hm!“, machte Ann und rührte ihren Cappuccino um. „Und was hast du vor, wenn du rausfindest, wer ihr das angetan hat?“
    Simon musste schmunzeln. Ann kannte ihn gut. Außerdem entging ihrem Killerinstinkt nie auch nur das kleinste Detail. Nicht umsonst war sie seit einem halben Jahr Staatsanwältin. „Ich will nicht ihn finden, sondern sie.“
    „Dann brauchst du nicht zu wissen, wem der Wagen gehört.“
    „Verdammt, Ann, das kannst du nicht machen. Wenn du was weißt, musst du es mir sagen.“
    „Warum? Was liegt dir an dieser Frau?“
    Simon starrte Ann unbewegt an. Er wusste nicht, warum die Frau ihn berührte. Ihr Körper hatte sich so zerbrechlich in seinen Armen angefühlt. Schon als er sie im Gang beobachtet hatte, hatte er den Drang verspürt, sie zu beschützen. Er erinnerte sich genau an den Moment, da sich ihre Blicke getroffen hatten. Noch nie hatte er eine derartige Traurigkeit in den Augen eines Menschen gesehen.
    Noch nie?
    Doch, das hatte er. Es war der Blick seiner Mutter gewesen, als sie vom Tod ihres Mannes erfahren hatte. Die gleiche Verzweiflung hatte auch in ihren Augen gestanden. „Ich muss sie finden, Ann. Ich kann das nicht rational erklären, aber ich muss sie finden.“
    Ann starrte ihn eine Weile schweigend an. Simon sah den inneren Kampf in ihren Augen. Dann sagte Ann mit fester Stimme: „Ich kann dir nicht helfen, Simon. Was immer dich zu dieser Frau hinzieht, macht dich voreingenommen. Ich möchte dich nicht wegen Körperverletzung oder Schlimmerem im Gerichtssaal sehen. Die Polizei sucht nach ihr. Sie werden sie finden.“
    „Warum wird sie gesucht?“ Simon konnte seine Gefühle nur noch schwer verbergen. Wie sollte er eine Frau finden, deren Namen er nicht einmal kannte und die vor der Polizei floh?
    „Wegen Diebstahl und Körperverletzung.“
    „Körperverletzung? Das soll wohl ein Witz sein? Sie ist so dünn, sie könnte nicht einmal ein Kind umschubsen, geschweige denn einen Erwachsenen.“
    Ann stand auf und griff nach ihrem Mantel.
    „Es tut mir leid, Simon. Halt dich aus dieser Sache raus!“
    Ihre Blicke trafen sich und hielten sich für einen Augenblick fest. Dann nickte Ann. „Ich sehe schon: Du wirst nicht auf mich hören. Mach keine Dummheiten. In diesem Fall bin ich Staatsanwältin und nicht deine Freundin.“
    Simon hielt Ann am Arm fest. Das Flehen in seiner Stimme konnte er nicht verbergen. „Sag mir wenigstens ihren Namen.“
    „Noelle.“

    „Du musst den Wagen loskriegen. Er hat ihn bestimmt als gestohlen gemeldet. Und wenn dich die Polizei findet, bringen sie dich zurück. Er bringt dich um, Noelle, er bringt dich um.“ Seit Stunden irrte Noelle durch New Yorks Straßen und redete mit sich selbst, um die Einsamkeit zu vertreiben.
    Sie kannte sich in dieser Stadt nicht aus, aber sie war eindeutig in einer üblen Gegend gelandet. Halb zerfallene Häuser flankierten die Straßen, und die Gesichter der Passanten waren nicht gerade freundlich. In der Nähe einer Bushaltestelle hielt sie an. Mit zitternden Händen öffnete sie das Handschuhfach. Ein Müsliriegel fiel ihr in die Hand. Ehrfürchtig, wie ein Gottesgeschenk, hielt sie ihn ein paar Sekunden in der Hand. Fast wären ihr vor Glück die Tränen gekommen. Wann hatte sie eigentlich das letzte Mal etwas gegessen? Sie erinnerte sich nicht, und sie wollte sich auch nicht erinnern. Gierig stopfte sie den kleinen Riegel in sich hinein. Dann schob sie den Beifahrersitz zurück, hob die Fußmatte an und klaubte das Bündel Geldscheine hervor, das sie dort versteckt hatte. Alles in allem besaß sie $287,37. Damit könnte sie sich zumindest in Sicherheit bringen.
    Sie hatte Monate gebraucht, um vom Haushaltsgeld unbemerkt etwas zur Seite zu legen. Eine zweite Chance würde sie nicht bekommen. Das war ihr klar. New York war groß genug, um unterzutauchen, und es war anonym. Außerdem kannte sie hier jemanden, der ihr helfen würde. Lydia war der einzige Mensch auf der Welt, dem Noelle vertraute.
    Sie stieg aus, holte ihre Tasche vom Rücksitz und warf den Schlüssel auf den Fahrersitz. Wenn sie Glück hatte, würde ihn jemand nehmen und ihre Spuren verwischen. Erleichtert sah sie den Bus kommen, kaufte sich beim Fahrer ein Ticket und fuhr zurück in die Innenstadt.
    Lydia war nicht zu Hause, als Noelle bei ihr eintraf. Sie hatte keine Uhr bei sich, vermutete aber, dass Lydia noch bei der Arbeit war. Sie arbeitete seit drei Jahren in einem Lebensmittelgeschäft. Doch wo dieses Geschäft

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