Nördlich des Weltuntergangs
renoviert und Friedhofszäune ausgebessert werden. Eemeli hatte darauf kühl erklärt, dass die Asser-Toropainen-Kirchenstiftung nicht an einer Bezuschussung dieser Art interessiert sei. Laut Testament sollte das Geld für die Neuerrichtung einer Kirche verwendet werden, und damit basta.
Eemeli Toropainen war in vielen Einöddörfern und ihrem Hinterland gewesen. Drei Gemeinden hatte er auf diese Weise kennen gelernt und dabei ausgezeichnete Kirchenstandorte entdeckt. Etwa in Valtimo in der Nähe des Nationalparks Tiilikkajärvi oder in der Provinz Kuopio am Ufer des Hukkalampi-Sees. Beide Standorte gehörten zu Asser Toropainens Boden- und Waldbesitz, sodass auch ausreichend Bauholz zur Verfügung stand.
Jetzt war Eemeli ins Moor Pöllösensuo von Kainuu gekommen, und er glitt auf seinen Skiern auf das Eis des nahen Ukonjärvi-Sees hinunter, einen Einödsee mit steilen Ufern, der knapp einen Kilometer breit und vier Kilometer lang war und sich von Nordost nach Südost erstreckte. Eemeli lief über die Eisfläche zum nordöstlichen Zipfel des Sees, denn dort erhob sich ein Hügel, der dicht mit prächtigen Kiefern bestanden war. Das Ufer des Sees war unbewohnt, auch waren weit und breit keine Eisangler zu sehen. Ein angenehmer Frühlingswind strich über das Gesicht des Skiläufers, und eine ganz eigentümliche Andacht bemächtigte sich seiner. In diesem Naturtempel herrschte genau die Ruhe, nach der sich ein vom schnellen Lebensrhythmus gestresstes Menschenkind sehnte. Kurz bevor Eemeli den nordöstlichen Zipfel des Sees erreichte, überquerte er eine Wolfsspur. Welch ein Naturparadies!
Als Eemeli auf dem Hügel angekommen war, drehte er sich um, er ließ den Blick über den See und die verschneiten Ufer wandern und horchte auf das Rauschen des Waldes. Hundertjährige Kiefern standen dicht an dicht. Die Frühlingssonne hatte den Schnee unter ihnen bereits an einigen Stellen weggetaut. Eemeli sah, dass der Untergrund ungefrorener Sandboden war.
Einen besseren Platz für die Kirche konnte er sich nicht wünschen. Er überzeugte sich anhand der Flurkarten, dass der See und sein Umland auch wirklich zu Assers Besitz gehörten. Dann zündete er sich eine Zigarre an und sprach feierlich:
»Teufel noch mal. Hier werde ich die Kirche hinstellen.«
3
Eemeli Toropainen maß mithilfe des Küsters die Kirche von Kuortane aus. Er hatte ein Zwanzig-Meter-Maßband und die Baupläne, die er im Museum für Baukunst gefunden hatte, mitgebracht.
Eemeli überprüfte die Abmessungen der Kirche: Die Grundform ergab in Ost-West-Richtung eine Länge von 35,93 Metern, in Nord-Süd-Richtung 36,02 Meter. Der Saal war geräumig und offen, auch von den hintersten Bänken konnte man die Kanzel und fast von jedem Platz den Altar sehen.
Von außen betrachtet, wirkte die Kirche trotz ihrer Vieleckigkeit weich, was durch die Walmdächer und den aufgesetzten Dachreiter, der in einer schindelbedeckten Zwiebel auslief, noch betont wurde. Ein gut proportioniertes Bauwerk, das sich nach Eemelis Meinung ausgezeichnet als Vorbild für sein eigenes Projekt eignete.
Freilich war die Kirche für den privaten Zweck ein wenig groß, sie fasste tausendzweihundert Andachtsteilnehmer. Eemeli Toropainen sagte sich, dass seine Kirche nicht ganz diese Dimensionen haben musste, zumal er bisher keinen einzigen Besucher anzubieten hatte. Mit achthundert Plätzen wäre Assers letztem Willen bestimmt Genüge getan.
Eemeli machte Fotos mit der Schnellkamera. Er erforschte zusammen mit dem Küster die Strukturen des Gebäudes und beklopfte die Wölbungseinschalung, er wollte herausfinden, wie die Balken eingeklinkt und wie dicht die Dachstühle gesetzt waren, wie Hakola vor über zweihundert Jahren seine Festigkeitsberechnungen angestellt hatte.
»Sie sind anscheinend ein Architekturexperte. Kommen Sie vom Museumsamt?«, fragte ihn der Küster, als sie unter dem Fußboden der Sakristei herumkrochen.
Eemeli erklärte, er sei der Direktor einer Kirchenstiftung. Er wollte noch hinzufügen, dass er außerdem eigentlich Sägetechniker und der Direktor der ehemaligen Nordischen Holz-Haus AG sei, dachte sich dann aber, dass sein persönlicher Hintergrund den Küster eigentlich nichts anging.
Als Eemeli Toropainen aus Kuortane zurückgekehrt war, richtete er sich in Assers Sterbezimmer in Kalmonmäki ein provisorisches Baubüro ein. Zuletzt hatte er sich in Vantaa aufgehalten, hatte bei einer mitfühlenden Dame in deren Zweizimmer-Mietwohnung gelebt, die Pleitewelle
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