Nördlich des Weltuntergangs
Ǻrhus. Nach der Urteilsverkündung wurde er ins Bezirksgefängnis verlegt, das sich ebenfalls in dieser Stadt befand. Während des Prozesses versuchte Eemeli, die Amerikaner wegen Menschenhandels und illegaler Organtransplantationen anzuzeigen, doch konnte er keine glaubhaften Beweise für seine Behauptungen vorlegen. Außerdem waren diese Handlungen nicht in Dänemark, sondern in Mexiko und den USA vorgenommen worden, sodass die dänische Justiz keine Handhabe hatte, die Verbrechen zu ahnden. Die Behörden in Mexiko und den USA wurden zwar über Toropainens Aussage informiert, aber weitere Schritte wurden nicht eingeleitet. Die Behauptungen des Beschuldigten wurden insofern vom Gericht als mildernder Umstand anerkannt, als man ihn nicht wegen Totschlags, sondern fahrlässiger Tötung verurteilte. So schmachtete der Stiftungsdirektor drei lange Jahre im Bezirksgefängnis von Ǻrhus in Dänemark. Obwohl das Urteil über vier Jahre vorgesehen hatte, wurde die Strafzeit aufgrund der guten Führung des Häftlings um ein Jahr verkürzt.
Eemeli Toropainen verbrachte die Haft in einer Einzelzelle. Er durfte auf seinen Wunsch hin in der Metallwerkstatt des Gefängnisses arbeiten. Im Laufe der Zeit setzte er die Spielmechanik der alten Orgel von Trustrup instand und richtete und reinigte die Orgelpfeifen, die er bei dem Handgemenge in der Molkerei beschädigt hatte. Als Eemeli nach Abbüßung der drei Jahre im Dezember 1995 entlassen wurde, konnte er eine gründlich reparierte und prächtig schimmernde Orgel mit nach Finnland nehmen. Womöglich war es sogar die beste in allen nordischen Ländern?
Eemelis Zelle war für dänische Verhältnisse karg und spartanisch mit einer Fläche von gut zehn Quadratmetern und Betonwänden. In dem Raum befanden sich eine eiserne Bettstelle und ein Tisch, der mit Bolzen an der Wand befestigt war, in der Ecke stand ein Toilettenbecken, und an der Wand hing ein kleines Regal für Bücher und Kleinkram. Das Fenster war mit Sicherheitsglas versehen, das mit Stahldraht verstärkt und einen Zentimeter dick war, in der mit Stahlblech verkleideten Tür waren eine Klappe und ein Spion eingebaut, Letzterer war nicht für den Häftling gedacht, sondern dafür, dass der Wärter von außen in die Zelle hineinsehen konnte.
Trotzdem waren die Bedingungen im Gefängnis zunächst recht erträglich. Tagsüber konnten sich die Häftlinge frei in der Abteilung bewegen, sie konnten im Laden einkaufen, fernsehen und Tischtennis spielen, allerdings sagten die dänischsprachigen Fernsehprogramme Eemeli nicht zu, und auch Tischtennis mochte er nicht, da es ihm zu kindisch war.
Von Zeit zu Zeit wurde den Häftlingen Urlaub gewährt, und auch Eemeli nutzte einmal die Gelegenheit und ließ sich zwei Tage freigeben, um nach Ukonjärvi zu fahren. Zu seinem Pech streikten gerade die Stewardessen und Stewards der SAS, sodass er nicht an sein Ziel gelangte. Leider war es auch nicht möglich, mit Finnair über Helsinki nach Kajaani zu fliegen, da sich das gesamte Personal des Flughafens Kastrup in einem Sympathiestreik befand und der Verkehr lahm gelegt war. So verbrachte Eemeli seinen kurzen Urlaub damit, niedergeschlagen das Menschengewimmel in Kopenhagen zu beobachten.
Eemelis Frauen, die ehemalige und ihre Nachfolgerin, besuchten ihn im Gefängnis. Sie sahen frisch und gesund aus, und bei beiden rundete sich der Bauch viel versprechend. Eemeli betrachtete nachdenklich ihre Leibesmitte. Die Frauen brachten ihm regionale Brot- und Käsespezialitäten, außerdem natürlich finnischsprachige Literatur und aktuelle Zeitungen mit.
Im ersten Winter kam auch Severi Horttanainen nach Dänemark. Zunächst machte er ein paar Tage Kopenhagen unsicher, bis ihm der eigentliche Zweck seiner Reise einfiel und er kurz in Ǻrhus aufkreuzte. Horttanainen erzählte, dass angesichts Eemelis Gefängnisaufenthalts daheim derzeit die Weiber herrschten. Sonst laufe alles leidlich. Am Hiidenvaara sei der Kuhstall fertig, und es standen bereits etwa zwanzig Milchkühe und Jungbullen darin, von denen Letztere zu Zugochsen heranwachsen sollten. Im Herbst habe man zwölf Elche erlegt und mit Netzen tüchtige Mengen kleiner Maränen gefischt, die für den Winter eingesalzen worden seien. Das Finanzamt von Sotkamo schicke unfreundliche Zahlungsaufforderungen, da die Grünen noch keine Steuern gezahlt hatten.
»Wie denn auch, sie haben ja gar kein Geld. Sie haben dem Steuerausschuss zur Begleichung ihrer Rückstände getrocknete Kräuter
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