Nördlich des Weltuntergangs
weiterzufahren. Der Oberst machte ihnen das Bett in seiner Schlafkammer zurecht und schlief selbst in der Wohnstube. Am Morgen kochte er zum Frühstück Tee im Samowar und machte Blinis.
Die Fahrt ging weiter nach Kalmonmäki, wo Eemeli die Kaserne der Partisanenkompanie inspizierte. Sulo Naukkarinen, inzwischen bereits Hauptfeldwebel, organisierte auf dem Hof eine Parade, die Eemeli abnahm. Anschließend wurden die Mannschaftsräume besichtigt. Überall herrschte lobenswerte Ordnung. Zum Schluss führte die leichte Granatwerfermannschaft im Gelände ein Schießen mit scharfer Munition vor.
In Grünberg besichtigten Eemeli und Taina den Kräutergarten und die Pilztrocknungsanlage. Im Frühjahr hatten die Mitarbeiter fast zweihundert Kilo Steinmorcheln gesammelt und getrocknet, berichtete stolz die Leiterin, eine profunde Kennerin der natürlichen Sammelwirtschaft. Im Kräutergarten keimten auf einer Fläche von mehreren Ar die verschiedensten Gewürz- und Arzneipflanzen. Zum Abschluss der Inspektion wurden den Gästen Kräutertee und kalorienarme Biokekse serviert.
Als Eemeli im Wagen saß, holte er sofort den geräucherten Schweinespeck aus dem Proviantkorb, schnitt sich ein tüchtiges Stück davon ab und aß es zusammen mit einer Scheibe Brot. Zum Nachspülen trank er Kräuterschnaps. Letzterer war die Form, in der er Gewürzpflanzen am liebsten zu sich nahm.
Die Heimfahrt konnte beginnen. Taina lenkte das Pferd auf die Straße nach Ukonjärvi. Sie kamen an einem kleinen See vorbei, dem Hiidenkattila, der in einer tiefen Schlucht am Südzipfel des Berges lag. An seinem Ufer wuchs üppiger Laubwald, dort war es schattig und kühl.
Der Hengst trabte bedächtig über den schmalen Weg, der sich zu dem Wäldchen hinunterschlängelte, aber plötzlich wurde er unruhig. Er witterte eine Gefahr, fiel in nervösen Galopp und ließ sich nicht mehr lenken.
Eemeli wollte gerade den Schnapskrug in den Korb stellen, als er flüchtig am Wegrand einen großen Bären mit grauem Fell sichtete. Der Petz erhob sich auf zwei Beine und nahm Witterung nach dem Hengst auf, dabei brummte er dumpf.
Der Hengst ging durch und raste in vollem Galopp über den kurvenreichen Fahrweg. Eemeli und Taina mussten sich festklammern, um nicht aus dem Wagen zu fallen, der in den Kurven auf zwei Rädern schleifte.
Der Hengst galoppierte mit schaumbedeckten Flanken am Iso Haukilampi vorbei und bog auf den Weg nach Ukonjärvi ein. Zum Glück kam ihnen niemand entgegen. Der Wagen donnerte über die Brücke. Der wilde Galopp endete erst auf dem Hof des Herrenhauses, wo Taina den Hengst vor der Stallwand zum Stehen brachte.
Mit vereinten Kräften konnten sie das Tier beruhigen, sie brachten es in den Stall, wo es sich in seine Box stellte und zitterte.
Eemelis Herz vertrug so viel Aufregung nicht. Er drückte die Hand auf die Brust und setzte sich auf den Brunnendeckel. Sein Gesicht war schneeweiß. Taina und die Dienstmädchen führten ihn in die Schlafkammer und steckten ihn ins Bett. Er bekam einen Schluck Schnaps eingeflößt und Engelwurzextrakt unter die Zunge. Dann forderte Taina ihn auf zu schlafen und schloss die Tür.
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Eemeli Toropainen erholte sich von seinem neuerlichen Herzanfall gerade rechtzeitig, um die erstaunlichen Nachrichten vom Untergang New Yorks zu hören. Wie der »Fliegende Engel« in Sepänkylä verkündet hatte, war diese führende Weltmetropole buchstäblich im Müll ertrunken.
Es ergab sich, dass ein Amerikaner finnischer Abstammung im Herrenhaus von Ukonjärvi erschien, ein gewisser John Matto oder Jussi Mättö, ein fünfzigjähriger Taxifahrer aus der Bronx. Er schob seine achtzigjährige Mutter Eveliina Matto im Rollstuhl. Die beiden waren auf einem leeren Öltanker von den USA nach Rotterdam und von dort mit dem Zug über Tornio nach Kontiomäki und Valtimo gereist, dann hatte der Sohn seine Mutter nach Ukonjärvi geschoben.
Eveliina Mättö war im vergangenen Jahrhundert, in den Fünfzigerjahren, nach Amerika ausgewandert. Dort war sie erst eine Weile umhergezogen, ehe sie sich in New York niederließ. Zunächst hatte sie in herrschaftlichen Familien als Dienstmädchen gearbeitet, dann eine Anstellung beim Etagenservice eines Hotels gefunden und war später in höhere Positionen aufgerückt. Als New York nun zerstört war, hatte es sie wieder in ihr altes Land gezogen, denn sie wollte in Finnland beerdigt werden, und so hatten Mutter und Sohn die Heimreise angetreten.
»Wir erfuhren beim Zwischenaufenthalt in
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