Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nördlich des Weltuntergangs

Nördlich des Weltuntergangs

Titel: Nördlich des Weltuntergangs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
Vom Netzwerk:
Verkehrssystem lahm gelegt war; der schlimmste Schlag war, dass die U-Bahn-Linien geschlossen werden mussten. Zahlreiche Züge blieben in den Tunneln stecken, die Leute stiegen aus und irrten unter der Erde herum, manche fanden nie wieder heraus.
    Im vergangenen Jahr wurden auch die letzten der riesigen Wolkenkratzer geräumt: die UNO, General Motors, Lincoln Center, Rockefeller Center.
    Das Schlimmste war, dass sich viele gefährliche Krankheiten in der Stadt ausbreiteten. An den heißen Sommertagen wimmelte es auf den Müllbergen und in den Schlammpfützen von Bakterien, unerträglicher Gestank setzte den Menschen zu. Die Ratten und augenlose Alligatorenbrut, die sich in der Kanalisation eingenistet hatten, feierten Freudenfeste. Im Winter vernichteten der erbarmungslose Frost und der eisige Wind, der durch die öden Straßenschluchten der sterbenden Stadt fegte, den letzten Rest dessen, was die Menschen einmal aufgebaut hatten. Die berühmten Theater am Broadway schlossen ihre Türen, die Schauspieler tanzten höchstens noch im Fieberwahn, die Türsteher fegten Dreck und röchelten Legionellenbakterien. Fleckfieber wütete, die Frauen gebaren vor der Zeit, und falls die Babys lebend zur Welt kamen, starben sie bald, aufgedunsen von der Pest.
    Die Zensur verbot der Presse und den Rundfunk- und Fernsehanstalten, der Welt die schreckliche Wahrheit zu berichten. Insofern es überhaupt noch jemanden gab, der berichtete. Die Studios waren ausgebrannt, die Reklamelichter erloschen, Kojoten liefen den Broadway rauf und runter und rissen die wenigen Menschen, die noch unterwegs waren.
    Verwilderte Räuberbanden leerten die letzten Lebensmittellager und Warenhäuser, fackelten ein Stadtviertel nach dem anderen ab, töteten Menschen, bis sie selbst von Krankheiten dahingerafft wurden oder im Morast versanken.
    Feuerwehr und Polizei waren machtlos. Die besten Männer der Nationalgarde wurden ausgesandt, die ertrinkende Stadt zu retten. Ausgerüstet mit Räumpanzern, Baggern, Flammenwerfern und Riesenpumpen, sollten tausende Kämpfer in Overalls Manhattan zu Leibe rücken. Doch König Morast war ein erbarmungsloser Feind: Er zog sich nicht mehr zurück, sondern ließ die Arbeitsmaschinen absaufen, betäubte die Gardisten, verbreitete Krankheiten und verursachte blinde Panik. Wenn es den Soldaten gelang, irgendwo ein Viertel zu erobern, brach in einem anderen ein wütendes Feuer aus, und die giftigen Gase, die ihm entströmten, zwangen die Männer, sich zurückzuziehen. Auf dem Schlachtfeld blieben die robusten Panzer, die Bagger, die Pumpen zurück. Ein Stadtviertel nach dem anderen musste endgültig aufgegeben werden. Zahlreiche Menschen waren in der untergehenden Stadt eingeschlossen. Sie kletterten auf die Dächer der letzten übrig gebliebenen Wolkenkratzer, von wo man sie mit Helikoptern zu retten versuchte.
    In den Konferenzräumen der obersten Etage des RCA Center hatten sich sechshundert Werbestrategen zu einem Abschlussgespräch zusammengefunden. Die begabtesten Karriereplaner der USA wollten entscheiden, in welcher Stadt sie künftig die schöpferische kommerzielle Kommunikation betreiben wollten, wenn New York endgültig verloren wäre. Im Rainbow Room in der fünfundsechzigsten Etage des Gebäudes saßen zur selben Zeit Hunderte Rundfunk- und Fernsehjournalisten der NBC, die ihren Sitz im Haus hatte, bei einem gemeinsamen Abschiedsessen. Sie erhielten die Nachricht, dass die Ausgänge des Gebäudes geschlossen wurden, weil in den untersten Etagen Feuer ausgebrochen sei. Die Berichterstatter und die Werbeleute kämpften um die Plätze auf dem Dach, sie waren Konkurrenzkampf gewöhnt. In Panik strebten sie auf die Helikopterlandeplätze zu. Das war das Ende dieser Vorkämpfer westlicher Kultur, die Rundfunkstimmen verstummten, die Fernsehbilder verschwanden. Nun gab es keine Betreiber von Werbekampagnen mehr, die mit ihren Botschaften die Menschheit beglücken konnten.
    Unter den Letzten, die aus der Stadt flohen, waren die Mättös. John trug seine alte Mutter auf den Armen, ein Leidensweg für beide. Es war eine Februarnacht, und die gesamte Bronx wurde evakuiert, Manhattan war bereits vor Weihnachten aufgegeben worden. Die Ausfallstraßen waren bis weit in den Norden hinein verstopft, Busse waren von der Straße abgekommen und Züge entgleist, Häuser brannten, die Sirenen heulten, und in der satanischen Finsternis flimmerten nur die Blinkleuchten der blind umherirrenden Krankenwagen und Polizeiautos.
    »Wie gern

Weitere Kostenlose Bücher