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Nördlich des Weltuntergangs

Titel: Nördlich des Weltuntergangs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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rückte er an, um »auf der Stelle« den ungesetzlichen Kirchenbau zu stoppen.
    Außer dem Kommissar gehörten ein Wachtmeister und ein Hauptwachtmeister zur Mannschaft. Letzterer war der Hundertkilomann Sulo Naukkarinen, fünfund­ vierzig Jahre alt und welterfahren, denn er war dreimal auf Mallorca gewesen. Die strahlendste Perle in seinem Meritenverzeichnis war die Festnahme von vier Häftlin­ gen, die 1977 aus der Haftanstalt Sukeva entflohen waren. Naukkarinen hatte sie zu Fuß gestellt und mit bloßen Händen überwältigt. Einer der Verbrecher hatte derartige Verletzungen davongetragen, dass er nie mehr die Flucht oder irgendeine Art der Fortbewegung ohne Rollstuhl in Erwägung ziehen konnte.
    Eemeli Toropainen war gerade dabei, Löcher für das Aufsetzen des Dachreiters zu bohren, und zwar auf der westlichen Front des Gebäudes, in mehr als fünfzehn Metern Höhe, vom Sockel an gerechnet. Die Beamten riefen ihm ihr Ultimatum zu, sie verlangten die »sofortige Beendigung aller laufenden Arbeiten und die juristische Beseitigung der Ergebnisse aller bisherigen gesetzwidri­ gen Maßnahmen«.
    Eemeli Toropainen befahl seinen Zimmerleuten, zu ihm heraufzuklettern und die für diesen Zweck bereitge­ legten Teilstücke einer dicken Kette samt Schlössern sowie die aus dem groben Formstahl gedrehten Haspen und einen Hammer mitzubringen.
    Die Haspen wurden flugs an die Firstlatten genagelt, eine pro Person, und die Männer ketteten sich fest. Der Gehilfe verschluckte den Schlüssel, der das einzige vorhandene Exemplar war.
    Natürlich war die Presse zur Stelle: die schüchterne Praktikantin eines Lokalblattes, der Chefredakteur einer Regionalzeitung und ein paar andere Reporter. Der Tag war schön, gutes Wetter zum Fotografieren.
    Verhandlungen führten zu keinem Ergebnis. Die kriminellen Kirchenbauer hockten gefesselt in luftiger Höhe, entschlossen wie alte Stalinisten im Streik. Doch der finnische Staat beharrte unerschütterlich auf der Einhaltung seiner Gesetze. In diesem Falle war es Hauptwachtmeister Sulo Naukkarinen, der das Gesetz zu vertreten hatte und der seine Amtspflichten durchaus nicht vernachlässigte.
    Naukkarinen kletterte ohne Rücksicht auf seine hun­ dert Kilo Gewicht am Baugerüst in schwindelerregende Kirchenhöhen hinauf, einen für solche Zwecke ange­ schafften Trennschneider mit sich führend, während unten der Kommissar und der Wachtmeister gleichzeitig ein Aggregat einschalteten, mit dem Kraftstrom in das Werkzeug geleitet werden konnte. Über eine derartige Ausrüstung verfügte die Polizei von Sotkamo, weil sie aus früheren Ereignissen ähnlicher Art gelernt hatte.
    »Direktor Toropainen! Sie als ehemaliger Fabrikant und Bahnbrecher des Exporthandels sollten sich schä­ men, sich in Ketten zu zeigen, noch dazu in einer Kir­ che!«, brüllte der Kommissar hinauf.
    Keine Antwort.
    Hauptwachtmeister Naukkarinen war inzwischen auf dem Dach angelangt und packte Eemeli Toropainen von hinten an der Schulter, in der Hand den Trennschnei­ der, dessen Kabel in das unten surrende Aggregat führ­ te.
    Die Sümpfe von Sukeva sind ebenes Gelände, dort kann auch ein groß gewachsener Mann seinen Dienst versehen. Doch zwischen Himmel und Erde das Gesetz zu hüten ist weitaus schwieriger. Der tapfere Naukkari­ nen glitt aus, fiel mitsamt seinem Werkzeug aus luftiger Höhe hinab, schlug mit dumpfem Geräusch auf dem Dach des Schindellagers auf, von wo er mit ziemlichem Tempo an der künftigen Kanzel vorbei und über einen Balkenstapel hinweg auf das Friedhofsgelände sauste. Schenkelknochen gebrochen.
    Als man ihn auf eine Trage legte, richtete er einen erleichterten Kommentar an die Presse:
    »Jetzt wird man mir wohl die Frührente gewähren, und Sie bringen auch mein Foto in Ihrem Bericht? Das hoffe ich.«
    Nachdem der Polizeiheld Naukkarinen für die Zeitung fotografiert worden war, brachte man ihn ins Kranken­ haus. Der Kommissar und der Wachtmeister sammelten ihre Geräte ein und verließen ebenfalls das Gelände. Bei der Abfahrt schwor der Kommissar, dass er wiederkom­ men werde. Die Pressevertreter machten Fotos von den gefesselten Zimmerleuten und riefen ihre Interviewfra­ gen hinauf. Bald waren sie fertig und fuhren ab, und auch die neugierigen Dorfleute, die sich eingefunden hatten, gingen wieder an ihre Arbeit.
    Eemeli Toropainen konnte nicht wieder mit der Arbeit beginnen, denn er war mit seinen Männern immer noch an die Firstlatten der Kirche gekettet. Der Schlüssel lag im

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