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Nördlich des Weltuntergangs

Titel: Nördlich des Weltuntergangs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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rief mehr als hundert Alternative auf den Plan, die ihre eigenen, bei vielen Zusammenstößen mit der Polizei erprobten Ketten mitbrachten. Sie errichteten hinter dem Friedhof Zelte und schworen, sich an die Kirchen­ wände und die Friedhofsmauer anzuketten, falls die Polizei komme, um die Bauarbeiten zu stoppen. Tat­ sächlich hielten sie ihr Versprechen: Am 24. Oktober, es war ein Donnerstag und der Jahrestag der Vereinten Nationen, erschien erneut die Polizei am Ukonjärvi. Die Grünen traten zum Widerstand an; die Gesichter den Pressefotografen und Fernsehkameras zugewandt, kette­ ten sie sich routiniert an die Kirche. Es waren mehr als hundert Personen, wettergegerbte junge und zähe Keim­ esser. Etwa zehn von ihnen ketteten sich an den inzwi­ schen fertig gestellten Dachboden des Gebäudes, zwei besonders Mutige an den First und ein paar an das Gerippe des Dachreiters. An jeder der insgesamt vier­ undzwanzig Ecken der Kreuzkirche hingen auf einmal zwei oder drei passive Kämpfer. Durch Megafone erklär­ ten sie ihre Motive. Sie verlangten, dass der Kirchenbau in Finnland nicht länger reglementiert werde, denn Kirchen verschmutzten weder die Natur, noch waren sie dem Menschen abträglich, außerdem herrschte im Land Religionsfreiheit.
    Sie erweiterten das Thema und fragten, wie es denn mit den Genehmigungen für all die anderen Kirchen in Finnland aussehe. Sie hatten einige Erkundigungen eingezogen: Was die Kirche auf dem Helsinkier Temppe­ liaukio betraf, war diesbezüglich alles in Ordnung, das Gleiche galt für die meisten neueren Kirchen. Ganz anders verhielt es sich aber bezüglich den älteren Got­ teshäusern: Beim Dom von Turku war von einer gültigen Genehmigung keine Spur, ganz zu schweigen von den zahlreichen bäuerlichen Holzkirchen. Die eigensinnigen Finnen hatte im Laufe der Jahrhunderte ihre hölzernen Tempel auf eigene Faust und aufs Geratewohl hier und dort in ihrem lieben Heimatland errichtet.
    Sollte man nun den Dom von Turku abreißen? Be-stand Anlass, hundert finnische Holzkirchen niederzu­ brennen?, fragten die Alternativen und verwiesen erneut auf die Religionsfreiheit.
    Die Polizei stand dem organisierten Widerstand machtlos gegenüber. Sang- und klanglos zogen sich die Beamten vom Kirchenhügel zurück. Sie sahen keinen Anlass mehr für Zwangsmaßnahmen. Der in der Wildnis entstandene Holzbau störte eigentlich niemanden. Er war zwar nicht genehmigt, aber da gab es auf dieser Welt wohl noch ganz andere Dinge, die nicht genehmigt waren.
    Die Alternativen blieben da und halfen beim Kirchen­ bau. Für Zimmermannsarbeiten eigneten sie sich weni­ ger, doch räumten sie fleißig Bauabfälle beiseite und sammelten Steine für die Friedhofsmauer. Ihnen gefiel die Einödlandschaft von Kainuu, sie liefen durch die Wälder und genossen die herbstlichen Gerüche, sam­ melten Pilze und Preiselbeeren.
    Als die ersten Fröste kamen, lichteten sich ihre Rei-hen jedoch, und nur etwa zwanzig der Zähesten harrten weiter aus. Iisakki Matolampi fasste das Phänomen in derbe, aber treffende Worte:
    »Die Naturaktivisten haben letzte Nacht bestimmt in ihrem Zelt gebibbert. Da fällt dem städtischen Idealisten schnell wieder die Zentralheizung ein, wenn sein Arsch am Grasboden festfriert.«
    Die übrig gebliebenen Naturschützer waren dafür um-so widerstandsfähiger. Sie wandten sich an Eemeli Toropainen und fragten ihn nach der Genehmigung, auf Assers Grund und Boden eine kleine Blockhütte bauen zu dürfen. Sie hatten etwa vier Kilometer vom Ukonjärvi entfernt eine geeignete Stelle entdeckt, und zwar am Berg Hiidenvaara, an dessen besonders schönem West-hang, der steil und steinig in den Hiidenjärvi-See abfiel. In den Bergwäldern waren im Frühling zwar jede Menge Bäume für die Balkengewinnung gefällt worden, der Westhang war jedoch unberührt geblieben.
    Eemeli Toropainen war nicht gerade sehr begeistert von dem Gedanken, an Außenstehende Grundstücke für den Bau von Hütten zu verschenken. Er äußerte sich skeptisch, was den Erhalt einer entsprechenden Ge­ nehmigung betraf. Darauf erklärten die Grünen, dass er sich vorher auch nicht um Genehmigungen gekümmert habe. Ohne ihre Hilfe wäre der Kirchenbau vermutlich gestoppt worden, daran möge er doch bitte denken.
    Eemeli steckte mit ihnen den Standort für die Hütte ab. Er gab ihnen Werkzeug und erklärte ihnen in groben Zügen, wie man ein Blockhaus baute. Die Alternativen machten sich an die Arbeit. Bald wurde auf dem Bau­

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