Nördlich des Weltuntergangs
Magen des Gehilfen, und es würde einige Zeit dau ern, ehe er wieder herauskäme und man die Vorhänge schlösser an den Ketten öffnen könnte. Frau Taina Korolainen mutmaßte, dass, gemäß des natürlichen Verdauungsrhythmus, mindestens ein Tag dafür einge rechnet werden müsse, falls der Gehilfe zu Verstopfung neige, vielleicht sogar mehrere Tage. Der Bursche erröte te schamhaft.
Einem Wartenden wird die Zeit lang, einem Angeket teten noch länger. Eemeli Toropainen war nicht an Tatenlosigkeit gewöhnt. Jetzt mussten er und seine Männer auf dem Dach der Kirche liegen und konnten nichts Ernsthaftes anfangen. Zum Zeitvertreib erzählten sie sich Witze, aber bald wurde es ihnen langweilig, und das Gespräch erstarb. Einer der Arbeiter fragte, ob Eemeli auch für diese Wartestunden Lohn zahlen würde. Der Mann fand, dass das Ausharren auf dem Dach der Kirche durchaus mit harter Arbeit zu vergleichen sei. Eemeli versprach es. Und falls jemandem diese Arbeit keinen Spaß mache, könne er gehen, erklärte er. Damit war das Thema beendet.
Der Gehilfe kam auf die Idee, dass dies eigentlich eine gute Gelegenheit sei, Richtfest zu feiern. Die Kirche war buchstäblich aufgerichtet und alle Arbeiter beisammen. Man könne sogar Alkohol trinken, denn es bestehe keine
Gefahr, dass jemand hinunterfalle.
Warum nicht. Eemeli beauftragte Taina Korolainen, den Leuten in den umliegenden Häusern Bescheid zu sagen. Anschließend setzte Frau Korolainen einen Kes sel mit Erbsensuppe auf und überprüfte die Getränke vorräte: Sie fand zwei Kästen Bier und ein paar Flaschen mit härteren Alkoholika.
Gegen Abend konnte das Richtfest beginnen. Frau Taina Korolainen hängte den Kessel mit der Erbsensup pe in den Dachstuhl der Kirche und schaffte auch das Bier und den Schnaps hinauf. Beim Servieren war Ge nauigkeit gefragt, denn Taina musste über die Firstlat ten balancieren, um zu jedem Festteilnehmer zu gelan gen. Als alle versorgt waren, hieß Eemeli die Anwesen den in seinem eigenen Namen und im Namen der Asser-Toropainen-Stiftung herzlich willkommen.
Die Gäste unten in der Kirche, etwa zwanzig Leute aus der näheren Umgebung, falteten die Hände und murmelten ein Tischgebet, schließlich beging man das Richtfest eines Gotteshauses.
Dann ließen sich alle die Erbsensuppe schmecken. Taina Korolainens Kochkünste wurden mit einhelligem Lob bedacht. Auch das Bier war richtig temperiert, Taina hatte es vor dem Servieren im See gekühlt. Die Zimmerleute erzählten von früheren Richtfesten, die sie erlebt hatten. Sie hatten die Erbsensuppe schon in den Tiefen eines Zivilschutzbunkers, aber auch auf dem Betonfußboden eines Getreidesilos oder im Hochofen eines Stahlwerkes gegessen. Doch dies war das erste Mal, dass sie den Abschluss der Rohbauphase in der Luft, an die Firstlatten einer Kirche gekettet, feierten. Ihre Arbeit, die im Allgemeinen für eintönig und körper lich schwer gehalten wurde, hatte offenbar durchaus auch Abwechslung zu bieten.
Als die Suppe verzehrt war, dankte Eemeli als Bau herr seinen Leuten für die gute Arbeit und äußerte den Wunsch, dass es so wie bisher weitergehen möge.
Der älteste der Zimmerleute, Severi Horttanainen, er-griff im Namen der Arbeiter das Wort und bezeichnete die jetzt im Rohbau fertig gestellte Kirche als interessan te Herausforderung. Auf der Baustelle habe ein guter Teamgeist geherrscht, niemand sei ausgeschert, die Löhne seien höher als die tariflich festgesetzten, und die Bauleitung sei nicht übertrieben pingelig.
Taina Korolainen bedankte sich im Namen des Betreuungspersonals bei allen Beteiligten für das eini germaßen manierliche Benehmen, das, wie es aussah, auch nun während der Feier anhielt, zumal sich die Männer freiwillig an ihren eigenen Bau gekettet hatten.
Die Grußworte der Anwohner sprach der Bauer vom benachbarten Hof, Iisakki Matolampi, der seine Rede in die Höhe richtete und unter anderem erklärte:
»Nun kriegen wir unsere eigene Kirche, das ist mal eine Freude für all die Gläubigen dieser Gegend. Sonn tags müssen wir nicht mehr bis nach Sotkamo oder Valtimo hin, wo die studierten Pastoren so unverständ lich reden. Das ist ein historischer Moment. Vielen Dank auch, und Gottes Segen für den Direktor der Stiftung und für die Arbeiter.«
Bauer Matolampi hätte die feiernden Bauarbeiter in die Sauna eingeladen, aber vorläufig waren sie verhin dert.
Es kamen der Abend und die Nacht, doch da die Männer ihren
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