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Nördlich des Weltuntergangs

Titel: Nördlich des Weltuntergangs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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So schön sollte auch sein Bau werden. Falls dem Großvater noch ein paar Lebenstage blieben, könnten sie gemeinsam hinfahren und an Ort und Stelle Maß nehmen. Vielleicht gleich am nächsten Morgen? Eemeli legte dem Alten die aufge­ schlagene Seite vor, damit er seine endgültige Wahl treffen konnte.
    Da blieb die alte Standuhr stehen. Die schlaffe Hand des Großvaters sank herab und glitt über den Bettrand. Sein Blick richtete sich in die Ferne, die Augen trübten sich. Asser Toropainen war tot.
    2
    Asser Toropainen wurde eine Woche später auf dem Friedhof von Sotkamo beigesetzt. Es fiel Schneeregen. Ein melancholischer Gaul zog den Sarg zum Friedhof, mit gesenktem Kopf und in sich gekehrt trottete das Tier dahin.
    Eemeli Toropainen hatte entschieden, dass der Tote nicht mit einem Leichenauto zum Friedhof gefahren werden sollte, Asser war schließlich ein Mann vom alten Schlag gewesen. Eemeli hatte sich das Pferd geliehen, es war gewaschen und gestriegelt, die Deichsel schwarz geteert und der Klöppel der Schlittenglocke zum Zeichen der Trauer mit Moos umwickelt worden.
    Der Sarg war aus finnischer Kiefer mit hohem Kern­ holzprozent gefertigt. Darin befand sich ein zweiter Sarg, ein luftdichtes Gehäuse aus verzinktem Stahlblech, das für den langen Schlaf des Toten eingerichtet war. Der Leichnam war einbalsamiert worden, denn Assers letzte Ruhestätte würde nicht der Friedhof von Sotkamo sein, sondern sein eigener, wenn der erst einmal fertig war. Da der Alte beschlossen hatte, dass nach seinem Tod eine Kirche gebaut werden sollte, folgte daraus automa­ tisch, dass auch ein Friedhof angelegt wurde. Der Ge­ danke, dass Asser später in seine eigene Erde umgebet­ tet würde, war natürlich. Das bedingte, dass der Tote für die neue Beerdigung in leidlichem Zustand sein musste, und für diesen Zweck war der Zinksarg am besten geeignet.
    Eemeli Toropainen hatte ihn in der Sargfabrik von Punkalaidun, die als Großhandelsunternehmen die Beerdigungsinstitute belieferte, bestellen lassen. Von dort war außer dem Zinksarg auch der äußere Kiefern­ holzsarg geliefert worden, dazu eine Transportkiste, in der beide verpackt waren. Dem Verstorbenen waren somit drei Kisten zugedacht, von denen zwei ins Grab gesenkt wurden, die dritte, die Transportkiste, hatte Eemeli dem Gebrauchtwarenlager der Kommune für die Aufbewahrung von Kleingegenständen geschenkt.
    Der Zinksarg war teuer gewesen, er hatte fast sieben­ tausend Mark gekostet, dafür war er aber auch anstän­ dig gearbeitet. Die Nähte waren sauber geschweißt und absolut dicht. Nachdem Assers Leiche in den Sarg gebet­ tet worden war, war der Deckel fest zugeschweißt wor­ den. Über dem Gesicht befand sich im Deckel ein klei­ nes quadratisches Fenster, durch das Asser hindurch­ blickte. Die Glasscheibe war mit Silikonkleber und Nieten in dem Blechgehäuse befestigt. Man durfte an­ nehmen, dass zumindest während der ersten Jahrzehn­ te keine Zugluft hindurchdringen würde. Selbst wenn der Tote lange in seinem provisorischen Grab auf Sot­ kamos Friedhof liegen musste, bekämen die Leichenma­ den so keine Gelegenheit, sich an der sündigen sterbli­ chen Hülle des alten Kirchenbrandstifters gütlich zu tun, das Gehäuse aus Zinkblech würde sie fern halten. Und auch die Leichenflüssigkeiten der Nachbargräber konnten nicht eindringen.
    Den Wallach interessierte die gefundene Lösung nicht. Ihm war es zuwider, den schweren Schlitten durch Sotkamos Straßen zu ziehen, denn die Kufen schleiften stellenweise über den blanken Asphalt. Auf den Kieswegen musste er seine ganze Pferdestärke aufbieten, um die Last fortzubewegen. Er hätte am liebsten eine Ruhepause eingelegt, aber Eemeli Toropai­ nen, der in seinem dunklen Wolfspelz neben dem Schlit­ ten einherschritt, ließ die Zügel nicht locker und zwang ihn, die schwere Fuhre weiterzuziehen.
    Am Straßenrand hatten sich einige neugierige Zu­ schauer versammelt, um den Trauerzug zu beobachten, der von dem dampfenden stämmigen Wallach angeführt wurde, den Schluss bildete ein halbes Dutzend blank polierter PKWs. Die Leute raunten sich zu, dass Asser Toropainen, der alte Kirchenbrandstifter, nun endlich das Zeitliche gesegnet hatte.
    »Eine neue Ära bricht an…, das alte Jahrhundert wird in den Schoß der Erde gebettet«, konstatierte ein ein­ heimischer Schriftsteller, als er, hinter der Gardine verborgen, von seinem Arbeitszimmer aus das Gesche­ hen verfolgte.
    Der Leichnam wurde direkt zum Grab

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