Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Nördlich des Weltuntergangs

Titel: Nördlich des Weltuntergangs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
Vom Netzwerk:
wirkte irgendwie schroff, es mochte an der Form des Dachfirstes liegen. Die Deckenmalereien in der Kirche von Keuruu veranlassten Eemeli zu der Überle­ gung, ob er rändern lernen sollte.
    Eemeli klappte das Buch zu. Die angebotene Aufgabe reizte ihn, gar keine Frage. Aber was steckte dahinter? War der Alte senil, der frühere Kirchenfeind fromm geworden? Asser hatte in jungen Jahren und zu Revolu­ tionszeiten tatsächlich zahlreiche Kirchen in Brand gesteckt, in verschiedenen Teilen des Landes und der Welt. Er hatte sich an Gott für den Hunger und die Not der armen Leute rächen wollen. Und jetzt, kurz vor dem Tod, gründete er eine Stiftung für den Bau einer Kirche?
    »Darf ich mir die Frage erlauben, ob du verrückt ge­ worden bist?«
    Der Großvater wurde ein wenig verlegen. Noch nie hatte jemand an seinem Verstand gezweifelt. Er erklärte mit dünner Stimme, dass er mit Gott reinen Tisch ma­ chen wolle, da er zufällig einiges an Geld habe beiseite legen können. Er glaube zwar nicht an Gott und auch nicht an Jesus Christus, aber irgendwie scheine es ihm angemessen, eine Kirche errichten zu lassen. Aus rei­ nem Jux habe er sich die Sache ausgedacht.
    »Sozusagen zur Erinnerung. Und du als Fachmann für Holz und Balken kriegst zur Abwechslung mal wie­ der Arbeit.«
    Asser führte weiter aus, dass seines Wissens für ein derartiges Bauvorhaben keine allgemeine oder offizielle Begründung notwendig sei. Die Menschen bauten Kuh­ ställe, Schulen, Fabriken, warum dann nicht auch Kirchen? Aus der Sicht eines Sterbenden war es egal, was gebaut wurde. Wenn er im Dorf eine Furnierholz­ fabrik errichten ließe, würde sie vermutlich bald nach seinem Tod Pleite machen. Was hatte das für einen Zweck? »Eine Kirche macht nicht Pleite.«
    »Aber wenn jemand kommt und deine Kirche in Brand steckt?«
    »Dann kannst du nichts machen. Du kassierst die Versicherungssumme und baust eine neue.«
    Eemeli Toropainen kam auf die Einzelheiten zu spre­ chen. Er wollte wissen, welche Art von Kirche sich der Großvater vorstellte. Wo sollte sie gebaut werden, für welche Gemeinde war sie gedacht, und wer sollte als Pastor eingestellt werden?
    Der Großvater verwies auf die Gründungsurkunde der Stiftung. Dort stand kurz und knapp, dass der Leiter der Stiftung, also Eemeli Toropainen, den Standort der Kirche nach eigenem Gutdünken auswählen konnte. Eemeli konnte den Tempel notfalls auf Tahiti errichten, wenn er Lust dazu hatte. Eine Kirchgemeinde zu grün­ den war nicht unbedingt erforderlich. Was den Pastor anging, war überhaupt nichts erwähnt. Der bloße Kir­ chenbau genügte.
    »Such dir aus diesem Buch ein geeignetes Modell aus. Die modernen Kästen gefallen mir nicht, sie sehen nicht nach Kirchen aus.«
    In dem Moment kamen die Frauen herein, um Asser Milchsuppe zu bringen. Sein Magen war so schwach, dass an kräftigeres Essen nicht zu denken war. Eemeli setzte sich an den Tisch und vertiefte sich in den Bild­ band. Unter andächtigem Schweigen bekam der Alte seine Suppe eingeflößt. Hinter dem Ofen saß die Haus­ maus mit runden Ohren und blauem Fell und beobach­ tete den Vorgang. Sie beabsichtigte, in Assers Pelzdecke zu schlüpfen, wenn der Alte erst tot wäre. Mäuse haben eine feine Witterung für den Tod.
    Die Frauen wischten dem Alten den Mund ab, dann gingen sie, damit er sich ausruhen konnte. Eemeli blät­ terte interessiert, gelegentlich auch aufgeregt in dem Buch. Wenn er etwas Interessantes entdeckte, rief er zum Bett hinüber, dass er vielleicht die Kirche von Keuruu als Vorbild nehmen könnte. Und wie dachte der Großvater über die Kirche von Petäjävesi? Oder über die von Pietarsaari, Houtskari und Paltamo? Aus dem Bett ertönte zustimmendes Knurren. Alle waren geeignet.
    Nach einer guten Stunde hatte Eemeli Toropainen das Buch von Anfang bis Ende durchgeblättert und war zu dem Ergebnis gekommen, die Kirche von Kuortane als Modell zu wählen.
    Ein gewisser Antti Hakola hatte den Bau im Jahre 1777 errichtet. Aus der Bildunterschrift ging hervor, dass dieses das ehrgeizigste Werk des berühmten Man­ nes war. Der Saal hatte tausendzweihundert Sitzplätze, also nicht gerade wenig. Von der Anlage her handelte es sich um die erste an den Wänden voll abgekantete Kreuzkirche, sodass ihr Grundriss sage und schreibe vierundzwanzig Ecken oder Winkel enthielt.
    »Hols der Teufel, das ist mal eine schmucke Kirche!« Begeistert trat Eemeli ans Bett seines Großvaters, um
    ihm die Entdeckung vorzustellen.

Weitere Kostenlose Bücher