Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nördlich von Nirgendwo – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)

Nördlich von Nirgendwo – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)

Titel: Nördlich von Nirgendwo – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Hamilton
Vom Netzwerk:
Vargas an seiner Bar zurück, neben dem Pokertisch. Die ganzen Chips und die Karten lagen noch da. Niemand hatte sich ums Aufräumen gekümmert.
    Jackie ließ mich seinen Wagen fahren. Er saß auf dem Beifahrersitz und sah aus dem Fenster. Ich fuhr den Weg zurück, den wir gekommen waren, durch die Stadt zur Six Mile Road, die ganze Strecke hoch nach Brimley, an den beiden indianischen Kasinos vorbei mit ihren in die Nacht hinausstrahlenden Lichtern und ihren vollen Parkplätzen, vorbei am Golfplatz, auf dem das schwere Gerät sich unter einer einzigen Sicherheitslampe hoch an einem Mast versammelt hatte, und dann auf den Lakeshore Drive. Der Halbmond spiegelte sich im Wasser. Der Himmel war wolkenlos.
    Der alte Eisenbahnwaggon stand wieder an der Ecke, so tief im Schatten, daß man ihn nicht bemerkt hätte, wenn man nicht wußte, daß er da war. Aus irgendeinem Grunde erschien mir dieser Eisenbahnwagen in diesem Augenblick als schlechthin vollkommen. Es war, als ob ich das Auto auf der Stelle anhalten könnte, die Tür öffnen und einsteigen könnte. Für mich würde sich die Tür auftun. Ich würde auf dem nackten Fußboden schlafen, neben den Ratten und den Waschbären und Gott weiß wem sonst noch, in einem verlassenen nutzlosen alten Eisenbahnwagen, der nie, nie wieder irgendwohin fahren würde.
    Ich weiß nicht, was in mir diese Überlegungen auslöste. Ich weiß nicht, wieso ich mir vorstellte, mich in diesem alten Waggon schlafen zu legen und nie mehr aufzuwachen. Es war höllisch, sich so etwas vorzustellen, wenn man gerade von einem bewaffneten Raubüberfall herkam.
    »Na schön«, sagte Jackie schließlich. »Immerhin habe ich dich heute abend aus deiner Hütte gekriegt.«
    »In der Tat«, sagte ich. »Ich kann es gar nicht abwarten, mitzukriegen, was du für morgen abend geplant hast.«
    »Was hast du gedacht?« fragte er. »Als wir da so auf dem Boden gelegen haben?«
    »Und die Pistolen auf uns gerichtet waren?«
    »Ich meine mich zu erinnern, daß sie ein bißchen mehr auf deinen Kopf gerichtet waren als auf meinen, aber ja, was hast du da gedacht?«
    »Du kennst doch die alte Redensart, wie das Leben blitzartig vor einem vorüberzieht?«
    »Ja?«
    »Sie stimmt. Genau daran habe ich gedacht. An mein ganzes Leben.«
    »Und?«
    »Und was?«
    »Was ist dabei als Summe rausgekommen?« fragte er. »Bei deinem ganzen Leben, meine ich.«
    »Willst du das wirklich wissen?«
    »Ich will das wirklich wissen.«
    »Bei Gott nicht viel. Wie war das bei dir? Was hast du gedacht?«
    »Dasselbe, mehr oder weniger. Nur bei mir hatte es ein Happy End.«
    »Und das war?«
    »Ich habe gedacht, daß ich, wenn das mein letzter Abend auf Erden ist, mir wenigstens nicht mit ansehen muß, wie die ganze Gegend hier zerstört wird.«
    »Glaubst du wirklich, daß das geschieht? Schließlich leben wir hier oben doch mitten in einer Art Niemandsland, mitten im Scheißnichts.«
    »Wir leben noch hinter dem Nichts«, meinte er. »Ein gutes Stück nördlich von Nirgendwo. Aber das heißt nichts. Eines Tages kommen sie. Du kannst die Gegend hier nicht für immer geheimhalten.«
    »Ich hoffe, daß du unrecht hast«, sagte ich. »Aber ich glaube, drauf setzen würde ich nicht.«
    Ich fuhr still weiter. Jackie lehnte den Kopf zurück und schloß die Augen.
    »Wo wir gerade vom Setzen sprechen«, sagte ich. »Du läßt mich doch wohl nicht noch mal mit dem Arsch Karten spielen, oder?«
    »Nein«, sagte er. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß er uns noch mal einlädt.«
    Da waren wir schon jenseits von allem. Es gab nur noch Bäume, das Seeufer, sanft anschlagende Wellen, das schwarze Wasser, das bis ins Unendliche reichte.

Kapitel 5
    Am nächsten Tag ging ich zum Mittagessen ins Glasgow Inn. Ich wollte wissen, wie es Jackie ging. Auch wollte ich ihm zeigen, daß ich nicht beabsichtigte, auf der Stelle wieder in meine Einsiedlergewohnheiten zurückzufallen.
    Als ich die Tür öffnete, war er nicht da. Ich konnte mich nicht erinnern, wann das das letzte Mal der Fall gewesen sein mochte. Wenn man das Glasgow Inn betritt, ist Jackie da. So ist es halt. Statt dessen stand sein Sohn hinter der Theke. Jonathan Junior, gewöhnlich einfach Jonathan, oder, wenn er in Schwierigkeiten steckt, auch einfach Junior – er war ein kleiner Quirl, genau wie sein Vater, mit dem gleichen Pfeffer-und-Salz-Haar, nur etwas mehr davon. Jonathans Augen waren hinter seiner Brille genau so blau wie die seiner Mutter, die ich exakt einmal in meinem Leben gesehen

Weitere Kostenlose Bücher