Nördlich von Nirgendwo – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)
Vargas, der mich für den nächsten Tag zum Mittagessen einlud. Und zwar ausgerechnet auf seinem Boot. Die zweite Nachricht kam von Eleanor Prudell, Leons Frau, die mich bat, sie so schnell wie möglich zurückzurufen.
Es war schon spät, aber ich dachte mir, Vargas’ Nachricht sei eine Einladung, die man schlecht unbeantwortet lassen konnte. Er hatte seine Nummer hinterlassen – ich wählte sie und ließ es fünfmal klingeln, bis eine Frau sich meldete.
»Spreche ich mit Mrs. Vargas?« sagte ich. »Es tut mir leid, daß ich so spät anrufe. Ist Ihr Gatte zu sprechen?«
»Wer ist da?«
»Mein Name ist Alex McKnight. Ich war einer der Männer, die gestern abend in Ihrem Haus Poker gespielt haben.«
»Lassen Sie mich mal raten. Es hat Ihnen so viel Spaß gemacht, daß Sie jetzt anrufen, um gleich das nächste Spiel zu verabreden.«
»Nein, eigentlich hat Ihr Gatte mich angerufen und mich zum Essen eingeladen. Auf seinem Boot. Ich rufe an, um abzusagen. Ich hoffe, ich habe Sie nicht geweckt, Ma’am. Das war gedankenlos von mir.«
»Er ist momentan nicht da«, sagte sie. »Er hat irgend so ein Treffen mit diesem Tölpel, den er angeheuert hat.«
»Mit Leon Prudell? Es ist fast Mitternacht.«
»Den Namen kenne ich nicht. Der große Typ mit den orangen Haaren, der, der mir in den letzten Wochen ununterbrochen nachläuft.«
Das ließ ich besser unkommentiert. »Würden Sie Ihrem Gatten etwas ausrichten, Ma’am? Daß ich leider nicht mit ihm zu Mittag essen kann?«
»Werde ich machen. Ich hoffe, es bricht ihm nicht das Herz.«
»Vielen Dank, Ma’am. Und gute Nacht.«
»Alex, heißen Sie so? Schlafen Sie fest, Alex.«
Den Anruf bei Eleanor Prudell wollte ich mir an sich für morgen aufheben, aber die Angelegenheit mit Vargas wurde von Minute zu Minute immer rätselhafter. Wie Leon sich verhalten hatte, und sein Statement, seine erste Priorität sei sein Klient, seine zweite Priorität sei die Polizei. Ich hatte gedacht, Leon sei eben Leon, aber jetzt war ich mir da nicht mehr so sicher. Ich dachte mir, es sei der Mühe wert, den Anruf sofort zu beantworten, selbst zu dieser späten Stunde. Sie meldete sich beim ersten Klingeln.
»Eleanor«, sagte ich, »hier ist Alex. Ich nehme an, Sie haben noch nicht geschlafen.«
Ich hatte Eleanor Prudell gut genug kennengelernt, um sie zu mögen und sie zu bewundern, weil sie mit den Privatdetektivträumen ihres Mannes umzugehen wußte. Als Leon sich beide Knöchel gebrochen hatte, war ich Zeuge, wie sie ihren Mann im Haus herumtrug, als sei es ein Korb Wäsche. Sollte ich jemals Rückendeckung bei einer Wirtshausschlägerei brauchen, wäre Eleanor meine erste Wahl.
»Wie schön, Ihre Stimme zu hören«, sagte sie. »Schon so lange her.«
»Ist alles in Ordnung? Ihre Nachricht klang etwas besorgt.«
»Ich frage mich nur, worin Leon diesmal verwickelt ist. Dieser verrückte Typ von Vargas hat ihn heute siebenmal angerufen. Im Moment sind sie in einer Kneipe, bei einer Art ›Pow-wow‹, wie er sich ausgedrückt hat.«
»Einem ›Pow-wow‹?«
»So hat er es genannt. Er verhält sich äußerst merkwürdig, Alex. Ich meine, selbst für Leons Maßstäbe. Ich hatte gehofft, Sie wüßten etwas.«
»Wirklich nicht«, sagte ich und spürte ein leichtes Schuldgefühl. »Ich habe in letzter Zeit kaum Zeit mit ihm verbracht.«
»Das wünschte ich mir aber. Sie können ihn manchmal zurück auf die Erde holen.«
»Eleanor, es tut mir leid …«
»Sie müssen sich nicht entschuldigen, Alex. Ich weiß, daß Sie nicht mehr sein Partner sind. Ich habe nur gehofft, Sie könnten rauskriegen, was los ist.«
»Vielleicht kann ich das auch«, sagte ich und rieb mir die Augen. Ich konnte selbst nicht glauben, was ich da vorhatte. »Vargas will morgen mit mir zu Mittag essen. Vielleicht kann ich dabei rausfinden, was mit Leon los ist.«
»Mein Gott, Alex, würden Sie das machen? Jetzt geht es mir schon besser.«
Ich sagte, das würde ich, sie dankte mir mehrmals, versprach mir, ihre Kinder von mir zu grüßen, dankte mir nochmals und wünschte mir dann eine gute Nacht.
Ich wählte Vargas’ Nummer, entschuldigte mich erneut bei seiner Frau, und sagte ihr, ich könne das mit dem Mittagessen doch einrichten.
»Da bin ich aber froh, das zu hören«, sagte sie. »Ich habe hier schon gesessen und mir die Augen aus dem Kopf geheult. Jetzt werde ich gut schlafen.«
Ich gönnte ihr den Kommentar, wünschte ihr gute Nacht und hoffte zu Gott, ihr niemals persönlich begegnen zu
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