Nördlich von Nirgendwo – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)
preßte, der gerade weh tat.
Ich aß allein zu Mittag. Ich las ein wenig. Ich trank ein Bier. Ich holte mir neues Eis aus dem Kühlschrank. Draußen hatte der Sturm aufgehört, ohne daß es geregnet hatte. Plötzlich war er weg, einfach so. Die Sonne kam heraus. Ganz plötzlich war es ein schöner Tag geworden. Ich hatte kein Verlangen, rauszugehen und ihn mir anzusehen.
Ich las noch etwas. Ich aß allein zu Abend, eine billige tiefgefrorene Mahlzeit, die ich in der Mikrowelle aufwärmte. Ich trank noch ein Bier. Die Sonne ging unter.
Niemand störte mich. Ich brauchte mich nicht um Bennett O’Dell zu kümmern und den hirnverbrannten Mist, den er sich auf den Hals geladen hatte. Ich brauchte mich nicht um Winston Vargas zu kümmern und nicht um seinen kleinen kläffenden Köter. Oder um einen kanadischen Halsabschneider von der Mafia, der allen Ernstes durch die Gegend lief und sich von den Leuten Blondie nennen ließ.
Oder Jackie. Ich brauchte mich nicht um Jackie zu kümmern, der mir erklärte, daß ich mich aus seinen Angelegenheiten raushalten sollte.
Wieder sah ich mir mein Gesicht im Spiegel an. Ich sah immer noch nicht besser aus. »Du bist schon ein toller Anblick«, sagte ich. »Es war gut, daß du heute drinnen geblieben bist.«
Dann traf es mich wie ein Schlag. Das war es, was Jackie gestern abend gesehen hatte, als er mich angeschaut hatte. Dieses Gesicht hatte er da gesehen. Er wollte, daß ich mich da raushielte. Von Anfang an hatte er mich beiseite geschoben. Und letzten Abend hatte er es mir dann mit der Schrotflinte bedeutet, nur um sicherzugehen.
Vielleicht hatte er einen guten Grund. Man mußte mich nur ansehen. Er versuchte mich zu schützen, mich aus der Sache rauszuhalten, weil er wußte, ich würde wieder einen Weg finden, mir meine Arschtritte zu holen. Wie gewöhnlich. Und ich hatte das nicht kapiert, weil ich viel zu sehr damit beschäftigt war, wütend zu sein.
Ich ging nach draußen, gerade in dem Moment, als draußen zwei Minivans vorbeifuhren. Es waren die Männer aus der letzten Hütte, lauter Zahnärzte und Kieferorthopäden aus dem Süden des Staates. Als der Fahrer des ersten Wagens mich sah, hielt er an und kurbelte das Fenster herunter. »Was ist denn mit Ihnen passiert?«
»Ein kleines Mißverständnis.«
»Tut mir leid, daß wir jetzt erst fahren. Aber es war ein so schöner Tag, da dachten wir, wir bleiben noch hier und fahren in der Nacht nach Hause. Ihr Helfer meinte, das sei okay.«
»Mein Helfer?«
»Ja, ihm haben wir auch das Geld gegeben. Ich hoffe, das war so in Ordnung.«
»Tut mir leid, aber ich weiß nicht, wen Sie meinen.«
»Dieser große blonde Typ. Er hat gesagt, er arbeitet für Sie.«
»Wann war das?«
»Etwa vor zwei Stunden. Haben wir da Mist gemacht, Alex? Er wirkte in Ordnung.«
»Nein, nein, das ist alles okay. Fahrt ihr mal schön. Ich spreche mit meinem Helfer.«
Er wirkte nicht sehr überzeugt, aber die Minivans fuhren schließlich los. Ich ging zurück in meine Hütte und wühlte in den Tiefen meines Wandschranks, bis ich den Schuhkarton fand. Ich nahm den schweren Revolver heraus und lud ihn. Dann ging ich wieder nach draußen und ging die Straße hinunter, so leise ich nur konnte. Es war gerade noch hell genug, um sehen zu können, wohin ich ging.
Die letzte Hütte liegt etwa sechshundert Meter die Straße hinunter. Als ich näher kam, hielt ich mich an die Seite der Straße; die Äste der Kiefern streiften mich. Als ich um die letzte Ecke bog, blieb ich einen Moment stehen und beobachtete die Hütte. Alles war ruhig. Das letzte Licht des Tages war jetzt nahezu verschwunden.
Du bist ein Narr, sagte ich mir. Zu denken, du kannst den ganzen Tag drinnen bleiben, völlig allein, und alles verschwindet. Es war unmittelbar hier, hier in dieser Hütte.
Ich schlich mich zur Tür, Schritt für Schritt auf dem weichen Teppich aus Kiefernnadeln. Die Tür stand einen Spalt offen. Ich stieß sie auf, bereit, auf alles zu schießen, was sich bewegte.
Eine kleine Lampe brannte auf dem großen Tisch mitten im Raum. Ich schaltete die anderen Lampen an, als ich durch die Hütte ging. Sie war leer, aber ich konnte den Rauch seiner Zigarre riechen.
Da auf dem Tisch in der Mitte, im Aschenbecher, ein Zigarrenstummel. Er fühlte sich noch warm an. Darunter waren einige Fetzen zerrissenen Papiers. Ich nahm einen Fetzen und sah die »100«. Es waren Hundertdollarnoten, vielleicht fünf oder sechs. Die Männer mußten ihn bar bezahlt haben. Und das
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