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Nörgeln!: Des Deutschen größte Lust (German Edition)

Nörgeln!: Des Deutschen größte Lust (German Edition)

Titel: Nörgeln!: Des Deutschen größte Lust (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric T. Hansen
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Hauptsache, man macht eine bella figura . In Deutschland ist das nicht so wichtig. Auch reiche Deutsche kleiden sich schlicht, und das ist egal. Als ich zwanzig war, hatte ich eine gute Freundin in Florenz, sie stammt aus einer sehr vornehmen Familie. Wir gingen zusammen shoppen, und es war ihr total peinlich, dass ich mit einer Plastiktüte loszog und nicht mit einer Lederhandtasche. In Deutschland ist so was nicht so wichtig. Frankreich liegt irgendwo dazwischen: Plastiktüte ist okay, aber es sollte schon eine Chanel-Tüte sein.«
    Wenn man in anderen Ländern auch gern und ausgiebig lamentiert, warum hängt der Nebel des Nörgelns so hartnäckig nur über deutschen Köpfen herum?
    Vielleicht nörgeln die Deutschen einfach anders.
    »Die Deutschen sind ernster dabei«, meinte Elisabete Köninger. »Wir Brasilianer nörgeln auch gerne, aber es ist nur ein kurzes Aufflackern– wir vergessen es dann schnell wieder.«
    »Die Italiener motzen nur, wenn es einen konkreten Anlass gibt«, warf D’Angelo ein. »Die Italiener meckern auch nicht darüber, dass sie meckern. Zum Beispiel Berlusconi – wir schimpfen über ihn, aber immerhin funktioniert seine Regierung, und wir gehen sowieso davon aus, dass alle Politiker Verbrecher sind, also wählen wir ihn auch. Was soll’s?«
    Ich traf mich mit Sonia Vea, Tonganerin, Künstlerin und Lebenskünstlerin in Berlin, zu einem Teller Chili con Carne in dem kleinen Café Ess Eins in Schöneberg, und sie erzählte mir vom Meckern im Paradies.
    »Deutsche können sich über alles beschweren«, amüsierte sie sich. »Über den Kellner, über die Nachbarn, wenn die Kinder auf der Couch rumspringen. Und vor allem, wenn etwas nicht in Ordnung ist. Man muss innerhalb der Markierung parken. Man muss die Gebrauchsanweisungen genau befolgen, wenn man einen neuen Fernseher kauft. Für uns Polynesier ist all das nicht wichtig. Wir meckern erst, wenn jemand uns umbringen will. Dann fangen wir an, uns Sorgen zu machen.«
    »Komm schon, irgendwas muss euch doch auch mal ärgern«, sagte ich.
    »Na ja«, überlegte sie. »Wenn eine Samoanerin oder eine Tonganerin einen Deutschen heiratet, stellt sie schnell fest, dass der europäische Mann mehr für seine Freunde tut als für die Liebe. Das ist ein Grund, warum die Mädchen aus Tonga oder Samoa meckern. Dass er immer vor dem Computer sitzt. Dass er nicht heißblütig ist. Dass sie es nicht wirklich mögen – du weißt schon. Jedenfalls nicht so oft.«
    Das reichte mir schon, aber Sonia kam gerade in Fahrt.
    »In Tonga schimpfen die Frauen meist nur, wenn die Männer anderen Frauen nachgucken. Und in Samoa nörgeln die Frauen, wenn die Männer nicht zur Arbeit gehen oder nicht kochen. Dort kochen die Männer, nicht die Frauen. Das ist Tradition. Wenn eine Frau einen europäischen Mann heiratet, dann jammert sie oft, dass er ihre Familie nicht finanziell unterstützen will, und er beschwert sich, weil er das Gefühl hat, er soll wohl für ihre ganze Familie aufkommen. Aber so ist das eben bei uns. Man heiratet die ganze Familie«.
    »Du musst das Leben hier hassen«, vermutete ich.
    »Ich habe keinen Grund zu klagen«, sagte sie und grinste. »Ich bin glücklich hier, weil ich gelernt habe, zu überleben, wenn es schneit. Das ist etwas, wovon die Leute zu Hause niemals wissen werden, wie das geht.«
    Sonia mit ihren langen schwarzen Locken sitzt immer irgendwie der Schalk im Nacken. Ich bin sicher, als sie damals über Frankreich nach Deutschland auswanderte, gehörte es nicht zu ihrem ursprünglichen Plan, in einem Land zu leben, in dem es bis zu 50 Grad kälter ist als in ihrer Heimat.
    »Auf jeden Fall beklagt ihr euch auf Tonga nicht über das Wetter«, scherzte ich.
    »Och, das kommt schon vor«, meinte sie und rührte in ihrem heißen Tee. »Wenn der Hurrikan kommt, zum Beispiel.«
    Das Meckern anderer Völker kann zeitweilig so andersartig sein, dass man als Deutscher gar nicht in der Lage ist, es als Kritik zu identifizieren.
    »Wir haben mal in im Gemeindehaus eine Versammlung unter Kollegen gehabt, und ich habe den Tisch mit ein paar Getränken und Keksen und so eingedeckt«, erzählte Teresa U., Pfarrerin aus Gelsenkirchen. »Die Sachen habe ich nicht besonders schön ausgelegt, es sah ein bisschen jugendherbergsmäßig aus. Hätte ein Westfale einen Kommentar abgegeben, wäre es so was gewesen wie: ›Also mit der Ästhetik hast du es wohl nicht so‹. Es war aber eine Österreicherin, die hinterher etwas dazu gesagt hat: ›Ja,

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