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Nörgeln!: Des Deutschen größte Lust (German Edition)

Nörgeln!: Des Deutschen größte Lust (German Edition)

Titel: Nörgeln!: Des Deutschen größte Lust (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric T. Hansen
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sie genau das Gegenteil: Sie gaben dem Volk so viele Rechte, dass es davon völlig überrumpelt wurde.
    Das Grundgesetz wurde erfunden.
    Das Grundgesetz ist ein Wunder. Es gilt heute als die fortschrittlichste und beste demokratische Verfassung der Welt, und das zu Recht. Es ist stabil, es ist großzügig, es ist flexibel. Es kann Anfeindungen von innen wie von außen überstehen, ohne korrupt zu werden; es kann auf Änderungen in der modernen Welt reagieren und trotzdem seinem Wesen treu bleiben. Ich wünschte, ich könnte das von mir sagen.
    Adenauer & Co. nahmen sich die amerikanische Verfassung zum Vorbild, aber sie suchten sich mit typisch deutscher Gründlichkeit deren Fehler heraus und korrigierten sie. Die ursprüngliche amerikanische Verfassung garantiert zum Beispiel den Frauen nicht das Wahlrecht. Diese und ähnliche Mängel blieben beim Grundgesetz außen vor.
    Dann gingen sie einen Schritt weiter: Sie stopften das Grundgesetz mit so vielen Rechten voll, wie es nur ging. Was das Grundgesetz den Deutschen an Rechten garantiert, ist enorm, sie reichen vom Recht auf Wohnung über Arbeit bis hin zur »Würde«, was immer das sein mag. In nur wenigen Ländern der Welt fühlt sich der Staat dafür zuständig, wenn man keine Wohnung oder keine Arbeit hat.
    Von klein auf lernt man in Deutschland, was der Staat für seine Bürgerinnen und Bürger alles tun muss. Will man eine Ausbildung, muss der Staat dafür zahlen (und erwägt der Staat, Studiengebühren zu erheben, gibt’s Zoff). Mag man die Arbeit nicht, die man hat? Hier darf man kündigen, ohne eine neue Stelle parat zu haben, und nach einem Weilchen kommt der Staat für die Überbrückungszeit bis zum nächsten Job auf (und ist der Staat der Meinung, zu viele Menschen kündigen ohne guten Grund und lassen sich zu lange Zeit, eine neue Stelle zu finden, erhebt sich Protest). Will man Künstler werden und Filme drehen, die kein Mensch je anschauen wird, weil die Leute zu doof sind, die Message zu kapieren; will man sich mit einer großartigen Idee, die sicher einschlagen wird, selbständig machen, aber na ja, so sehr ist man nun auch wieder nicht davon überzeugt, dass man sein eigenes Geld investieren würde; will man als Bauer in einer Welt, die zu viel Milch hat, Milch produzieren … für die notwendigen Fördergelder kommt der Staat auf. Und wenn nicht, dann gibt’s Ärger.
    Adenauer & Co. haben nichts weniger geschafft, als das Bittstellertum in die moderne Demokratie herüberzuretten. Heute wie im Mittelalter lohnt es sich, Bittsteller zu sein.
    Das ist eine erhebliche Verbesserung gegenüber der amerikanischen Verfassung, muss ich sagen. Im Grunde verspricht die amerikanische Verfassung dem Volk nur, dass der Staat dem Volk nicht im Weg stehen wird. Die ganze Gesetzgebung der USA fußt auf einer Art hyperliberalen »Laissez-faire« -Haltung: Der Staat darf den Einzelnen in seinem Streben nach Glück weder hindern noch seinen Konkurrenten unfaire Vorteile verschaffen. Amerika will nichts weiter sein als eine Art Casino, in dem jeder seine Talente, Träume und Ideen auf den Tisch legt, und die Verfassung soll sicherstellen, dass jeder freien Zutritt hat. Was dort passiert, ob der Glücksritter gewinnt oder, was statistisch gesehen eher der Fall sein wird, verliert, ist seine Sache. Das ist auch der Grund, warum ein Großteil der Amerikaner kein flächendeckendes Gesundheitssystem wollen: »Der Staat soll mir nicht diktieren, dass ich mein Geld für eine Krankenkasse ausgeben muss; ich will jeden Cent in mein Start-Up-Unternehmen investieren, und bis ich mal alt und krank werde, bin ich sowieso Millionär.«
    Wenn ich meinen deutschen Freunden das erkläre, sind sie vom Barbarentum des amerikanischen Systems schockiert: »Was glaubst du, wie wenige Leute den American Dream wirklich erleben?«, empören sie sich. Recht haben sie: Das Streben nach Glück findet ohne Sicherheitsnetz statt. Nicht umsonst nennen wir es einen Traum.
    Vor einigen Jahren arbeitete ich als Filmkritiker für The Hollywood Reporter , eine der zwei führenden Filmfachzeitschriften Amerikas, und hatte mit einigen Kollegen gerade ein Filmset in Babelsberg besucht. Es war eine größere, namhafte Produktion, deren Titel ich aus gutem Grund längst vergessen habe. Ein Kollege aus England war irritiert: »Es war überhaupt nicht wie ein Filmset, das man so kennt«, sagte er und schüttelte den Kopf.
    »Wie denn dann?«, fragte ich.
    »Wenn du in Hollywood ein Set besuchst, spürst du

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