Nörgeln!: Des Deutschen größte Lust (German Edition)
Gesellschaft kann es aber auch nervig sein.
Heute Abend saß ich mit Freunden zusammen. Ständig beschwerten sie sich über den letzten Scheiß. Ich saß da und konnte nicht mitmachen. Wenn ich etwas Positives sagte, guckten sie mich komisch an. Überhaupt fällt mir erst jetzt auf, wie viel genörgelt wird. Es ist eine echte Nörgel-Umweltverschmutzung im Gange, wo ist der Politiker, der etwas dagegen unternimmt?
Da war ein befreundetes Pärchen dabei, Marke Hobbyschriftsteller. Er laboriert schon eine ganze Weile an einem Roman herum, sie sollte sein Werk immer wieder für ihn lektorieren, hat aber keine Zeit mehr. Jetzt gibt er einer Freiberuflerin ein bisschen Geld dafür. Als das Gespräch darauf kam, warf sie ihm, ohne einmal Luft zu holen, in einem einzigen Satz gleich fünf Beleidigungen an den Kopf, und das mit einem Lächeln, als ob sie ein Witz erzählte: »Hättest du mir kein Kind angehängt, hätte ich ja dein Buch umschreiben können, aber jetzt musst du Geld ausgeben, das wir nicht haben, um jemand anders dafür zu engagieren, der das viel schlechter macht als ich.« Wow! Seine Vaterschaft, sein Schreibstil, seine Versorgerfähigkeiten – alles in einem Satz brutal abgekanzelt. Ich bin sicher, sie würde es nie übers Herz bringen, ihm diese Dinge direkt zu sagen, aber so ganz nebenbei, als Stichelei, das ging.
Nur einmal am dem Abend brach es aus mir heraus, ich konnte nicht anders: »Jetzt hört mal auf zu jammern!« In dem Augenblick, in dem ich es sagte, wusste ich, dass ich zu weit gegangen war. Meine Freunde guckten kurz betreten, sagten aber nichts. Drei Minuten später war alles vergessen, und die Jammerei ging weiter.
PS.: Heute hatte ich das Gefühl, dass der Haufen schwarzer Herrensocken am Fußende des Bettes sich bewegt hat.
Tag 6
Noch etwas fiel mir auf: Man muss sich nicht immer den Tag mit eigenem Gemecker versauen, man kann ihn sich auch durch die Nörgelei anderer verderben lassen. Sogar dann, wenn man gar nicht dabei war!
Eric besuchte gestern Abend, als ich unterwegs war, einen Freund nebst Frau und Kleinkind und geriet mitten in einen Streit über die Lautstärke des spielenden Radios, der sich noch ausweitete, als die Frau das Radio komplett ausmachte. Daraufhin rannte ihre zweijährige Tochter wutentbrannt – nein, nicht auf ihre Mutter, sondern ihren Vater zu und schlug ihn, nach dem Motto »Papa ist an allem schuld«.
Im Zeitraffer sah mein Freund das ansonsten reizende Mädchen heranwachsen und alles Unangenehme, was ihr je widerfahren würde, auf das Verhalten von Männern zurückführen. Sie würde ihnen die Schuld für alles in die Schuhe schieben, sie ihr ganzes Leben lang fertigmachen. Geknickt schlich er nach Hause. Er fühlte sich so schlecht. Er hatte doch gar nichts getan! Ich merkte das, als er ankam. Noch heute, den ganzen Tag über schenkte er mir desillusionierte, finstere Blicke. Dabei hatte ich auch nichts getan! Aber ich beschwerte mich nicht.
PS.: Das Waschbecken ist so gut wie nicht mehr benutzbar.
Tag 7
Heute wollten wir zu einer Party gehen, aber ich hatte keine große Lust, ich war müde und dazu war es einer dieser Tage, wo man einfach in allem, was man im Kleiderschrank hat, doof aussieht. Alles, was ich hatte, ging mir auf den Keks. Im Grunde brauchte ich einfach ein neues Kleid, und ich wollte gerade sagen, ich komme nicht mit, ich hab nichts anzuziehen, als ich merkte: Das ist Rumgenöle. So hatte ich das noch nie gesehen: Ich maule darüber, dass ich kein anständiges Kleid habe und beweise es auch gleich damit, dass ich zu Hause bleibe. Ich habe kurzerhand eine Hose angezogen, wir gingen los, und es war wunderbar. Ich war danach so froh, dass ich mich aufgerafft hatte.
Tag 8
Eric blüht zusehends auf, weiß aber nicht genau, warum. Es geht ihm natürlich besser, seitdem ich nicht mehr herumnörgle, aber er schiebt es auf äußere Einflüsse. Er glaubt, es hat etwas damit zu tun, dass diese neue DVD-Serie endlich eingetroffen ist, die wir jetzt abends immer anschauen. Sie handelt von einem Macho-Arschloch-Schriftsteller in LA, der beziehungsunfähig und dazu ein Frauenheld ist – es fällt übrigens auf, dass er in keiner einzigen Szene die Bartstoppeln aus dem Waschbecken wischt – das gefällt Eric. Ich würde ihm so gerne sagen, woher seine gute Laune wirklich kommt und schauen, wie er reagiert, aber ich kann es nicht, solange das Experiment läuft.
PS.: Ich kann mich im Badezimmerspiegel nicht mehr erkennen. Schminke mich
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